Martina Stock - Harfenistin & Bildende Künstlerin

01.07.2021
Alumnae & Alumni Stories
Martina Stock | © Magdalena Lepka

Martina Stock ist bildende Künstlerin und Harfenistin. Durch ihre Kompositionen für Harfe sind ihre Ausstellungen auch interdisziplinär zu erleben. Sie schafft einen musikalischen Raum, und damit eine besondere Klang- und Bildwelt für ihre Ausstellungen. An der Universität Mozarteum hat sie eine Ausbil-dung als Kunstpädagogin abgeschlossen und sich dennoch für den Weg als freischaffende Künstlerin entschieden ...

Martina Stock:
Harfenistin & bildende Künstlerin

Bischofshofen, Salzburg & Berlin

 

Wie kam es dazu und was war deine Motivation?

Es war nicht so geplant, obwohl der künstlerische Bereich in der Ausbildung sehr stark ausgeprägt war und wir gut gefördert wurden. Durch mein Geographiestudium waren Exkursionen immer sehr wichtig für mich. Als es in einem Jahr mit einer Reise nicht geklappt hat, habe ich mich sehr intensiv mit einem Kunstprojekt, das den Titel „OVERIVEW“ trägt, auseinandergesetzt. Das war ein sehr prägendes Erlebnis. Ich habe bemerkt, dass mir diese Arbeit sehr viel Freude bereitet und habe sozusagen „Blut geleckt“. Damit war klar, dass ich die Kunst unbedingt vertiefen wollte. Das war der erste Schritt.

Das war sehr mutig, denn das Unterrichten bietet eine gewisse Sicherheitsstufe. Viele Künstler*innen sichern sich damit ein fixes Einkommen und schaffen sich neben dem Unterricht Raum für die persönliche Kunst.

Nach dem Studium arbeitete ich an einer Schule um mich finanziell über Wasser zu halten. Gleichzeitig habe ich mich der Musik und der Kunst gewidmet. Ich kam dann relativ schnell in einen Zwiespalt. Einer-seits hatte ich die Lehrtätigkeit, die mich ernährte, andererseits die Musik und dann noch die bildende Kunst. Überall „Baustellen“ und man kommt nicht richtig weiter. Wenn man nach einem Konzert um vier Uhr morgens zurückkommt und um acht Uhr in der Schule sein soll, kommt man relativ rasch an Gren-zen. Als ich mir dachte, dass sich die Dinge ändern müssen und viele Bewerbungen bis tief in die Nacht hinein geschrieben habe, bekam ich ein Angebot aus China. Ich sah es als „Zeichen“, vor allem auch, weil ich zeitgleich einen „L1 Lehrvertrag“ angeboten bekam, was mich natürlich auch geehrt hat. Letztendlich war es eine klare „Bauchentscheidung“, mich für die Kunst und die Ungewissheit zu entscheiden. Das war der Beginn meiner Selbstständigkeit und es war ein „hartes Brot“. Die Entscheidung habe ich bis heute nicht bereut - auch wenn es nicht immer einfach war.

Bist du an der Harfe auch solo zu hören oder „nur“ in Verbindung mit deiner bildenden Kunst?

Beides. Ich habe ein Soloprogramm mit eigenem Repertoire und projektbezogen spiele ich Harfe in Kombination mit der bildenden Kunst.

Dein aktuelles Projekt wird während der Salzburger Festspiele im August 2021 als Ausstellung in der Kollegienkirche Salzburg unter dem Titel „100 FEMALE VOICES“ zu sehen sein. Worum geht es in dieser Ausstellung und wie ist das Projekt entstanden? Was ist das reizvolle an Künstlerinnen der letzten 100 Jahre Salzburger Festspiele?

Es zeigt eine Auswahl von 100 Künstlerinnen, die durch ihre Persönlichkeit und ihr Wirken die Salzburger Festspiele, auf und hinter der Bühne, in ihrer 100-jährigen Geschichte entscheidend mitgeprägt haben. Das Kunstprojekt möchte das Schaffen dieser Künstlerinnen anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Salzburger Festspiele in das Licht unserer Wahrnehmung rücken und durch seine Zusammenstellung eine ganz eigene Geschichte erzählen.

Wie darf man sich den Entstehungsprozess einer Ausstellung vorstellen?

Da steckt sehr viel Planung, Organisation, Recherche und zu guter Letzt Durchhaltevermögen dahinter. Es war für mich von Anfang an klar, dass die Kollegienkirche der geeignete Ort für diese Ausstellung ist. Ein Konzept, Kostenkalkulation und Entwürfe mussten angefertigt werden, um Gelder zu akquirieren und Förderanträge zu erstellen. Parallel dazu galt es eine Auswahl von Künstlerinnen zu treffen, den Kontakt zu den Künstlerinnen herzustellen und deren Zustimmung einzuholen, Fotorecherche im Archiv der Salzburger Festspiele zu betreiben, Fotorechte zu klären und einzuholen und natürlich das Allerwich-tigste: der künstlerische Prozess. Es ist ein intensives Jahresprojekt. Als „one-woman-show“ ist man am Ende des Tages für alles verantwortlich und es dreht sich in jeder Hinsicht immer alles um die Zahl 100, die gestemmt werden muss.

Fotos sind die Basis der Arbeit, richtig?

Genau - die Fotos dienen als Vorlage für die Serigrafie und werden in die künstlerische Arbeit eingebet-tet. Normalerweise mache ich die Fotos selbst. Um den Bezug zu den Salzburger Festspielen herzustel-len, konnte ich die Fotos aus dem Archiv verwenden.

Du bist sehr viel unterwegs. Deine letzten Arbeiten entstanden in Berlin. Welche Bedeutung haben diese Reisen für deine Arbeit?

Es war und ist mir immer wichtig, meine Kunst auch international zu zeigen und zu etablieren. In China, Japan, den USA aber auch in Europa, wie jüngst in Frankreich, bin ich mit meiner Kunst vertreten. Es ist ein willkommener Kontrast, der sich sehr positiv auf meine Arbeit und das Netzwerk auswirkt, obwohl es mit mehr Arbeit, Aufwand und Kosten verbunden ist. Auslandsaufenthalte, Exkursionen, Rechercherei-sen und „Artist in Residence-Stipendien“ haben meine Kunst sehr positiv beeinflusst.

Du arbeitest interdisziplinär. Deine Werke sind oft in Verbindung von Bild und Ton zu erleben. Ist Kunst in der ganzheitlichen Wahrnehmung ein besonderes Anliegen von dir? Wie entsteht die Beziehung zwi-schen Bild und Ton in deinen Werken?

Neben Ausstellungen und Solo-Konzerten kombiniere ich die Serigrafie mit der Harfe und generiere da-mit eine visuelle und klangliche Komposition - eine in dieser Form universelle Kombination. Dabei faszi-niert mich, die künstlerische Welt in verschiedensten Dimensionen zu erleben und Betrachter*innen oder Zuhörer*innen in diese Welt mitzunehmen. Gleichzeitig „sehen“, „hören“ und auch „wahrneh-men“. Die Musik kann beispielsweise eine Geschichte zu den Bildern erzählen. Sie kann aber auch die Wirkung eines Motivs unterstreichen oder eine Stimmung erzeugen. Mit meinen audiovisuellen Perfor-mances/Installationen möchte ich dem Betrachter meiner Bilder eine weitere Wahrnehmungsebene eröffnen. Wichtig ist bei diesen Projekten auch der Raum dazwischen, also Luft zu lassen. Es geht nicht um eine „Rundumbeschallung“ einer Ausstellung. Ich möchte beiden Kunstrichtungen eine Bühne bie-ten, das eine ist nicht „Beiwerk“ des anderen.
Begonnen haben diese Projekte mit einer Idee für meine Eröffnungsveranstaltungen der Ausstellungen. Ich wollte den Besucher*innen etwas Besonderes/Anderes bieten, sie mitnehmen in meine künstleri-sche Welt. Hierfür habe ich ein Lichtsystem für die Harfe konstruiert, das mir das Spiel im Dunkeln er-möglicht. Meine Ausstellungen haben im Dunklen begonnen. Nur die Lichtsilhouette der Harfe und ein verbindendes Element, beispielsweise eine Videoanimation oder ein Spiegelbild zu den Bildern, war er-kennbar. Dann kam die Musik, eine Eigenkomposition. Die Musik erzählte die Geschichten zu den Bildern und stimmte die Besucher*innen auf die Ausstellung ein. Nach einer gewissen Zeit wurde der Raum hel-ler und die Kunstwerke waren für die Besucher zu betrachten.

Im letzten Jahr gab es gezwungenermaßen sehr viel Kunst digital zu erleben. Welche Erfahrungen hast du damit gemacht? Gibt es vielleicht sogar positive Effekte oder Veränderungen?

In der Kunst geht es ja auch um die Aura eines Kunstwerks. Ein digitales Bild kann die Aura und das per-sönliche Erleben nicht ersetzen. Es geht nicht zuletzt um den Ort, den Raum in dem man etwas erlebt.
Die digitalen Formate haben aber auch etwas Gutes: Man kann viele Menschen erreichen, trotz örtlicher Trennung.

Du stehst heute mitten im künstlerischen Berufsleben. Wie war der Weg von der Uni zur freischaffenden Künstlerin? Wie würdest du deinen Beruf beschreiben? Welche Tipps und Tricks kannst du jungen Künst-ler*innen mit auf den Weg geben?

Der Anfang war, um es kurzzufassen, verdammt hart. Ich war komplett auf mich alleine gestellt, aber voller Motivation. Scheute keine Arbeit und habe fest an meine Kunst und Musik geglaubt. Da es diese sogenannten „Survival Trainings“ zu meiner Zeit noch nicht gab bzw. gerade im Kommen waren, war sehr vieles „Learning-by-doing“. Es gab viele Herausforderungen zu stemmen. Die Selbstständigkeit hat Vor- und Nachteile. Aber ich genieße es, mein eigener „Boss“ zu sein. Eine Schattenseite des Berufs ist, dass ein angemessenes Honorar noch keine Selbstverständlichkeit ist. Kunst soll oftmals gratis sein. In anderen Berufen gibt es diese Diskussion so nicht. Es gibt kein richtig oder falsch. Kunst ist subjektiv. Oft braucht man nur Glück, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Hilfreich ist sicher eine Portion Mut, die eigene Komfortzone zu verlassen und neue Wege zu gehen. Der Glaube an sich selbst und die eigenen Projekte und Ideen ist wichtig. Die Kritiker sind immer da. Vieles darf und sollte man nicht per-sönlich nehmen.

Neben den persönlichen Eigenschaften gibt es auch einige Kompetenzen, die man erlernen kann. Ich denke zum Beispiel an die Vermarktung. Wie siehst du das?

Zu meiner Studienzeit war das kein großer Fokus, was sich jedoch stark geändert hat. Selbstvermarktung und Netzwerke sind wichtig, um weiter zu kommen. Wobei man darauf achten soll, nicht alles alleine zu machen. Mit Fachleuten zu kooperieren, die bestimmte Aufgaben und Tätigkeiten mit ihrem Know-how und ihren Netzwerken unterstützen, ist sicher besser. Es ist jedoch eine Budget-Frage.

Wie schafft man es zu Stipendien, Ateliers, Ausstellungen, Galerien ...?

Ich denke, dass in der Kunst Eigeninitiative immer gut ist. Aber am Ende des Tages muss halt alles zu-sammenpassen, damit die Dinge ins Rollen kommen.

In welchem Bereich hätte es im Studium noch ein wenig mehr sein dürfen?

Die Vorbereitung auf das Berufsleben ist wichtig. Vor allem, wie der Alltag zu managen ist, wenn der „Schutzmantel“ der Universität wegfällt. Es geht um ganz praktische Dinge, wie zum Beispiel Versiche-rungen und Steuern. Zu meiner Zeit war das nicht präsent.

Was blieb vom Studium besonders gut in Erinnerung?

Die Gemeinschaft und der künstlerische Austausch, das Feedback.

www.martinastock.at

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