Aufbrechen von Grenzen und Barrieren - Judith Valerie Engel
Judith Valerie Engel ist eine österreichische Pianistin, Musikwissenschaftlerin & Feministin. Nach Studienjahren in Salzburg, Helsinki und Vancouver promoviert sie derzeit in historischer Musikwissenschaft an der Universität Oxford. Sie ist Empfängerin des Stone-Mallabar-Doktorandenstipendiums verliehen durch das Oxford College Christ Church. Weiters ist sie eine der „Public Scholars“ in der Public Scholars Initiative der University of British Columbia. Sowohl wissenschaftlich als auch künstlerisch liegt ihr Fokus auf historischen und zeitgenössischen Komponistinnen.
Judith Valerie Engel
Wien, Salzburg, Oxford und Vancouver
Sie sind Konzert-Pianistin, Pädagogin, Musikwissenschaftlerin & Feministin. In Ihrer Forschung in Oxford konzentrieren Sie sich auf die Wiener Komponistin Marianna Martines, mit besonderem Augenmerk auf sozio-politische Faktoren, die einer „klassischen“ Komponistin halfen und sie behinderten. Darüber hinaus beschäftigen Sie sich mit der musikalischen Handlungsfähigkeit von Frauen in der europäischen Salonkultur. Was dürfen wir uns konkret darunter vorstellen und wie kam es zu diesen Interessensbereichen?
Ich arbeite an zwei Doktoraten, wobei ich in Oxford kurz vor dem Abschluss im Doktoratsstudium der historischer Musikwissenschaft stehe. Nach dem Mozarteum ging ich zunächst nach Vancouver, um einen Doktor in Musical Arts in Piano Performance zu erlangen. Dieses Studium pausiert derzeit, ich möchte es aber nach dem Doktorat in Oxford wieder aufnehmen und abschließen. Beide Doktorate widme ich Komponistinnen, aber auf sehr unterschiedliche Art in unterschiedlichen Epochen. Mein Doktorat in Oxford konzentriert sich auf die Komponistin, Pianistin, Salonnière und Pädagogin Marianna Martines, die von 1744 bis 1812 in Wien gelebt hat. In gewisser Weise habe ich dieses Forschungsthema dem Mozarteum bzw. den handelnden Personen am Mozarteum zu verdanken, weil ich 2014 die Salzburger Erstaufführung des Klavier-Konzertes von Martines auf Anregung von Frau Mag. Gertraud Steinkogler-Wurzinger aufgeführt habe. Sie war eine großartige Mentorin und hat mich sehr positiv in meinem Werdegang beeinflusst. Natürlich bekommt man am Mozarteum fantastischen Instrumentalunterricht und ich bin Prof. Pavel Gililov sehr dankbar, dass ich meine handwerklichen Fähigkeiten entwickeln konnte. Gertraud habe ich zu verdanken, dass mein latentes und stetig wachsendes Interesse für die Frauen in der Musik gefördert wurde. Daraus entwickelte sich mein Wunsch und die Erkenntnis der Notwendigkeit, mehr zu Komponistinnen zu forschen. Auch in den letzten vier Jahren in Oxford wurde mir mehr und mehr bewusst, wie viel noch zu tun ist. Natürlich gibt es schon einige, die sich diesem Gebiet widmen und qualitativ hochwertig sowohl wissenschaftlich als auch künstlerisch dazu arbeiten, und das ist großartig, aber wir haben noch nicht die kritische Masse erreicht, mit der alle verstanden haben, dass Frauen zu jeder Zeit in der gesamten Geschichte maßgeblich zum Musikleben beigetragen haben. Und dass es eine falsche Narrative ist, wenn wir ein paar Individuen, die wir als Genies gelabelt haben, als die einzigen Kreierer der Musikgeschichte ansehen. Je mehr ich forsche, umso mehr interessante Frauen – Komponistinnen, Performerin, Organisatorinnen – entdecke ich. Es macht mich manchmal fast wütend, dass ich es mir so hart erarbeiten musste, diese Frauen kennen zu lernen. Allerdings hoffe ich, dass ich es durch meine Arbeit jenen, die nach mir kommen, ein wenig leichter mache. Es ist unglaublich bereichernd, eine größere Bandbreite an Musik und an Wegen zur Musik kennen zu lernen. Ich konzentriere mich in der Forschung für mein Doktorat in Oxford auf europäische Frauen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Mein Doktorat an der UBC ist zeitgenössischen kanadischen Komponistinnen gewidmet. Das Thema Diversität ist damit immer noch nicht intersektional abgedeckt, aber man kann nicht alles machen und das ist meine derzeitige Nische. Ich finde, Musik wird noch mal interessanter, wenn man all diese Frauen kennt. Leider fühlt es sich bei manchen Konzertprogrammen immer noch eher als Pflichtübung an, wenn auch Werke von Komponistinnen aufgeführt werden. Während von männlichen Komponisten große symphonische Werke gespielt werden, folgt von weiblichen Komponistinnen oft nur ein kurzes Solowerk, was meist in keinster Weise repräsentativ für ihr künstlerisches Schaffen ist.
Können Sie uns einen kleinen Einblick in Ihre Forschungsarbeit geben? Gab es besondere „Aha-Momente“?
Es gab einige Aha-Momente (lacht). Eines meiner großen Anliegen ist, dass wir Frauen in der Musikgeschichte nicht durch androzentrische Perspektiven betrachten. Wie wir Erfolg und Karrieren in der Musikgeschichte bewerten und messen, muss differenzierter gesehen werden. Oft wird gefragt, warum diese oder jene Komponistin nicht mehr veröffentlicht oder die Pianistin nicht mehr öffentliche Konzerte gespielt hat, aber das ist ein falscher Zugang, da es unterschiedliche Standards für Frauen und Männer gab. Eine männliche Künstlerkarriere im 18. Jahrhundert war nicht unbedingt das, was Frauen aus der oberen Mittelschicht oder unteren Adelsschicht angestrebt haben oder anstreben konnten, weil es soziale Restriktionen gab. Öffentliche Konzerte zu spielen konnte die gesellschaftliche Stellung dieser Frauen gefährden. Daher haben sie es auch nicht getan. Sie wollten es höchst wahrscheinlich aus gesellschaftlichen Gründen nicht. Wir dürfen das heute aber nicht so interpretieren, als wäre das ein Scheitern und als hätten Frauen nicht gut genug gespielt, um öffentlich aufzutreten.
Warum ist die Gender- und Feminismus-Forschung in der Musik wichtig?
Aus vielen Gründen. Ich finde die Beschäftigung mit Geschichte ist ein politisch und gesellschaftlich wichtiges Thema, und Musikgeschichte gehört auch dazu. Unsere Kulturgeschichte und unsere kulturelle Identität sind sehr eng miteinander verbunden. Wenn die Musikgeschichte ausgrenzend geschrieben wurde, hat das natürlich Auswirkungen auf das Hier und Heute. Für mich war es interessant die Dokumente des 18. Jahrhunderts zu entdecken, auch über das Selbsterfahren von Frauen aus dieser Zeit. Die feministische Geschichtsschreibung oder die Dokumentation von „first-wave“- und „second-wave“-Feministinnen (Anm.: im 18. & 19. Jahrhundert starker Fokus auf Wahlrecht und Gleichberechtigung) setzt oft erst im 19. Jahrhundert an. Ich hatte in Diskursen oft das Gefühl, Frauen aus früheren Jahrhunderten werden als Opfer von Oppression dargestellt, oder als unintelligente und unmündige Wesen, die sich ihrem Schicksal ergeben haben, was natürlich nicht stimmt. Daher ist es sehr interessant, Dokumente aus dieser Zeit zu lesen, in denen Frauen diese Missstände und Ungleichheiten selbst ansprechen und beschreiben, wie die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern in bestimmten Teilbereichen des Lebens auftrat. Das ist relevant, da es unser heutiges Verständnis von der Entwicklung für gendersensibles Denken ändert bzw. ändern muss. Die Geschichte des Feminismus ist wesentlich länger als wir gemeinhin glauben. Repräsentation ist natürlich auch immer wichtig. Wenn wir keine größere Diversität in unsere Konzertprogramme bringen, können wir auch nur ein gewisses Publikum über die Dauer für Konzerte gewinnen. Das merke ich auch selbst als Pianistin. Ich gebe beispielsweise gerne Vortragskonzerte, die sehr oft Barrieren für neue Konzertbesucher*innen beseitigen, die mit klassischer Musik bisher noch wenig Berührungspunkte hatten. Indem man die Werke ein bisschen erklärt und den geschichtlichen Hintergrund mitteilt, macht man sie zugänglicher. Meine Konzertprogramme sind sehr breit aufgebaut, gerade was Repräsentation von Frauen anbelangt. Das wird sehr gut angenommen, auch von jüngeren Besucher*innen, die noch nicht so oft in Konzerten waren. Ich glaube, dass wir diesbezüglich in Zukunft auch im Interesse des Konzertbetriebs sehr viel machen müssen.
Betrifft das aus Ihrer Erfahrung auch neue, untypische Orte, um neues Publikum zu gewinnen? Wie gehen Sie damit um?
Mit einem Klavier ist es nicht einfach, Auftrittsorte zu ändern. Für mich ist es eher das Ziel, Rahmenbedingungen zu konstruieren, die nicht die typischen Rituale des klassischen Konzertbetriebs widerspiegeln. Ich greife auf die alten Traditionen zurück, wie die Salonkultur, in kleinem Rahmen, indem ein Gespräch mit dem Publikum vorgesehen ist und ein sehr nahes Verhältnis zum Publikum kreiert wird. Auch eine Interaktion mit dem Publikum wird möglich und gefördert. Ich fand es bei einem Konzert zum Beispiel sehr schön, dass Besucher*innen zwischendurch Fragen gestellt haben. So hat sich fast eine Konversation ergeben – untypisch für ein klassisches Konzert. Das ist auch ein Aufbrechen von Grenzen und Barrieren.
Pianistin und Musikwissenschaftlerin, das klingt nach Spagat. Wohin wird die Reise gehen?
Ich sehe großes Potential in der Symbiose der beiden Gebiete. Es wird natürlich nicht so oft praktiziert. Das Paradebeispiel ist für mich Paul Badura-Skoda, der für mich auch ein wichtiger Mentor über viele Jahre war. Ich glaube, auch wenn es anstrengend ist, so ist es das wert. Ich sehe eine große Bereicherung für meine Arbeit und in den letzten Jahren beobachte ich ein zunehmendes Interesse für Bereiche wie Artistic Research. Es wird auch zunehmend im wissenschaftlichen Bereich erkannt, dass ein methodischer Zugang von der Performance-Seite einen Mehrwert bringen kann für wissenschaftliches Arbeiten.
Sie waren in den letzten Jahren in Salzburg, Wien, Helsinki, Vancouver und derzeit in Oxford. Sehen Sie Unterschiede zwischen den Regionen und Ländern im Umgang mit dem Thema Gender und Feminismus in der Musik?
Bestimmt, ja. Die größte Überraschung nach dem Mozarteum war für mich in Vancouver die Auswahl der Genres. Das Mozarteum ist eine Hochburg der Klassik. In Vancouver an der Universität gab es einen kleinen Wettbewerb, den ich glücklicherweise in meinem Instrument auch gewann, aber ich wurde gefragt, warum ich nur klassisches Repertoire ausgewählt habe und nicht auch beispielsweise einen Pop-Song zum Beispiel von Lady Gaga. Das war für mich sehr Augen öffnend. So wie wir erkennen müssen, dass es nicht nur die paar männlichen Genies waren, die wertvolle Musik geschrieben haben, ist es nicht nur die klassische Musik, die wertvoll ist und mit der man sich beschäftigen sollte. Ich werde zwar vermutlich weiterhin eher in der klassischen Musik beheimatet bleiben, da es sehr zeitintensiv ist, sich mit Musik auf so tiefgreifendem Niveau zu beschäftigen, aber ich habe gemerkt, dass ich hier auch an mir selbst arbeiten und Wertvorstellungen überdenken muss. Somit war das eine sehr gesunde Übung.
In Oxford wird derzeit viel an der Aufarbeitung der Kolonialzeit gearbeitet, nicht nur im Musikbereich. Auch Gender ist ein Thema, es wird immer wieder dazu aufgerufen, dass man Leselisten prüft, damit genügend Autor*innen vertreten sind und dass man auch inhaltlich den Studierenden nicht nur europäische Männer vorsetzt. Die Kolonialgeschichte und westliche klassische Musik wird überdacht und überarbeitet. Es kursieren auch hier unterschiedliche Meinungen – wie überall. Ich habe das Gefühl, dass mit den jungen Studierenden viel frischer Wind in die Universitäten einzieht. Die Themengebiete, für die sich die jungen Studierenden interessieren, sind immer breiter gefächert. Einige fragen sich beispielsweise, warum sie Tonsatz und „klassische“ Musiktheorie lernen müssen, nur weil das traditionell immer im Curriculum war. Ich finde man muss es differenziert sehen, da man oft nicht gleich erkennt, wofür Wissen und musikalisches Handwerkzeug nützlich sein kann. Aber das Überdenken und Hinterfragen von Normen ist grundsätzlich immer gut.
Was hat sich in den letzten Jahren für die Frauen in der Musik verändert? Was muss noch passieren?
Aus meiner persönlichen Erfahrung sehe ich, dass die klassische Musik nach wie vor viele konservative Ecken hat, gerade was berufstätige Frauen betrifft. Ich selbst hatte einige eigentlich unglaubliche Erlebnisse diesbezüglich. Während meines Studiums in Österreich, wurde mir tatsächlich vermittelt, dass ich mir als Frau keine allzu großen Sorgen um meine Karriere machen muss und es nicht so schlimm ist, wenn ich nicht so viel verdiene, weil ich ja kein Mann bin, der eine Familie erhalten muss. Hätte ich es nicht selbst erlebt, würde ich es nicht glauben. Es gelten tatsächlich unterschiedliche Standards bei den Geschlechtern, nicht nur bei der Bezahlung, sondern auch bei der Vermittlung von Konzerten. Wenn jemand in einer Machtposition sitzt und die Möglichkeit hat, junge Künstler*innen zu unterstützen und dann aber nicht daran glaubt, dass Frauen an ihrer Karriere arbeiten müssen, führt das automatisch zu einer Benachteiligung. Hier gibt es immer noch großen Aufholbedarf. Es ist für Frauen nach wie vor schwer, Privatleben und ein beruflich-musikalisches Leben miteinander zu vereinbaren. Ich weiß nicht, ob ich eine rasche und gute Lösung für das Problem habe, aber jedenfalls muss daran weitergearbeitet werden. Ich glaube, dass unsere individuellen Einstellungen zu diesem Thema maßgeblich sind, wenn wir versuchen wollen, eine fairere Arbeitswelt zu kreieren, die unabhängig von Genderdiskriminierung funktioniert.
Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich mit auf den Weg geben?
Den Weg beharrlich weiterzugehen und darauf zu vertrauen, dass der Weg der richtige ist, auch wenn er manchmal schwer ist. Auch, dass eine Hinwendung zur Beschäftigung mit Komponistinnen, obwohl das sehr konträr zur pianistischen Ausbildung war, die für mich richtige Entscheidung ist. Mut, um einen Schritt vom bisher üblichen Pfad abzuweichen und die Gewissheit, dass es dieser Schritt wert ist – das würde ich meinem jüngeren Ich sagen. Alles, was man mit Leidenschaft und Herz betreibt, wird wohin führen. Man kann nicht immer vorhersehen, wohin etwas führt, aber Bauchgefühl und Intuition soll man vertrauen.
Was ist das Schöne an Ihrem Beruf und wo liegen die Schattenseiten?
Es ist immer besonders für mich, wenn ich wieder neue Stücke von Komponistinnen entdecke, und fast umgeworfen werde von der Schönheit der Musik. Einige der Stücke, die ich zur Zeit im Repertoire habe, wurden in meinen Konzerten oftmals zum ersten Mal in diesem Jahrhundert zum Klingen gebracht. Der Umgang mit anderen Menschen, die sich passioniert für dieses Thema interessieren, ist auch eine große Bereicherung. Es ist sehr erfüllend, meine Leidenschaft mit anderen teilen zu können.
Ihre Wünsche an die Zukunft?
Größere Diversität in der Musik und damit einhergehend wachsende Freude an der Vielfalt der Musik.
Wie würden Sie Ihr Instrument beschreiben, wenn Sie es als Freund*in vorstellen müssten?
Es wäre ein sehr emotional intelligentes Wesen. Emotional einfühlsam und empathisch.
Wollen Sie uns noch etwas mit auf den Weg geben?
Wofür ich dem Mozarteum sehr dankbar bin, ist die Vermittlung von Wertschätzung für Musik und die feste Überzeugung, dass es wert ist, sich mit Musik zu beschäftigen. Wir entwickeln keine neue Impfung und keine offensichtlichen überlebensnotwendigen Dinge, das bedeutet aber nicht, dass unsere Arbeit nicht wichtig ist. Langfristig ist es notwendig, dass wir uns mit Musik beschäftigen, sie zum Erklingen bringen und weiter erforschen. International bereitet es mir oft Sorgen, dass die Universitäten und künstlerischen Organisationen teilweise die Mittel für Musik streichen. In England wurden beispielsweise einige Musikdepartments komplett geschlossen. Ich denke, dass es unglaublich wichtig ist, sich mit Musik auseinanderzusetzen und die Musik zu pflegen. Musik macht das Leben lebenswerter und prägt unsere kulturelle Identität.
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Judith Valerie begann ihr Klavierstudium im Alter von fünf Jahren bei der russischen Pianistin Prof. Mag. Nina Igudesman. Ab dem Alter von 17 Jahren war der renommierte Pianist und Pädagoge Prof. Pavel Gililov ihr Lehrer. Unter seiner Leitung absolvierte sie ihr Bachelor- und Masterstudium mit höchster Auszeichnung an der Universität Mozarteum Salzburg, wo sie das Leistungsstipendium der Universität erhielt. Seit ihrem neunzehnten Lebensjahr nahm sie außerdem Privatunterricht bei dem österreichischen Pianisten und Musikwissenschaftler Prof. Paul Badura-Skoda. Während ihres Masterstudiums verbrachte sie ein Auslandssemester an der Sibelius-Akademie Helsinki und studierte bei Teppo Koivisto. Bevor sie nach Oxford kam, studierte Judith Valerie an der University of British Columbia in Vancouver im Klavierstudio von Dr. Terence Dawson, wo sie mehrere Preise und Stipendien erhielt.
Judith Valerie forscht in der Musikwissenschaft an der Schnittstelle von Gender- und Feminismusforschung und Musik. Als Universitätsdozentin an der Universität Mozarteum Salzburg hat sie 2019 ein Seminar über Gender Studies in der Musik entwickelt und geleitet. Ihre Forschung in Oxford konzentriert sich auf die Wiener Komponistin Marianna Martines, mit besonderem Augenmerk auf sozio-politische Faktoren, die einer „klassischen“ Komponistin halfen und sie behinderten. Während ihres ersten Jahres in Oxford erhielt sie ein TORCH-Stipendium der Oxford Humanities Division für ein öffentliches Forschungsprojekt mit dem Titel „Siren Voices“ in Zusammenarbeit mit der lokalen Aktivist*innengruppe TransOxford. Sie ist außerdem Rezipientin des Public Scholars Initiative Stipendiums der University of British Columbia für ihr Forschungsprojekt zu kanadischen Komponistinnen und dem Erbe des ausschließlich „männlichen Genies“ in der klassischen Musik. Darüber hinaus unterrichtet Judith Valerie im Grundstudium Musikwissenschaft an verschiedenen Colleges in Oxford und ist eine gefragte Klavierlehrerin an der Fakultät für Musik in Oxford. Im Jahr 2022 wurde sie zum Associate Fellow der Higher Education Academy (AFHEA) ernannt. Judith Valerie stellt ihre Forschungsergebnisse regelmäßig auf akademischen Konferenzen vor und teilt sie in öffentlichen Foren mit, indem sie Meinungsbeiträge und Zeitschriftenartikel verfasst und öffentliche Seminare und Vortragsabende abhält.
Im Dezember 2014 dirigierte und spielte Judith Valerie die Salzburger Erstaufführung des Klavierkonzerts in A-Dur von Marianna Martines. Im Jahr 2016 spielte sie die erste Aufführung des Konzerts in Helsinki an der Sibelius-Akademie. Verschiedene Konzertreisen führten sie in über ein Dutzend Länder und in einige der schönsten Konzertsäle der Welt, wie das Konzerthaus Wien, das Sheldonian Theatre Oxford, das NCPA Mumbai, das Chan Centre Vancouver, das Konzerthaus Dortmund, die Bühne Baden und viele andere. Ihre Aufnahmen wurden hochgelobt und von österreichischen, deutschen und niederländischen Radio- und Fernsehsendern ausgestrahlt. 2019 wurde Judith Valerie eingeladen, bei einem Dokumentarfilm über Marianna Martines mitzuwirken, der vom österreichischen Fernsehen produziert wurde. Sie setzt sich in Konzerten aktiv für die vergessene Musik von Komponistinnen ein. Zu den jüngsten künstlerischen Projekten gehören eine Untersuchung der musikalischen Handlungsfähigkeit von Frauen in der europäischen Salonkultur und eine Zusammenarbeit mit dem simbabwischen Mbira-Spieler John Pfumojena, bei der sie ihr jeweiliges „klassisches“ Erbe und ihre Musiktraditionen erkundet.