Wer ich immer werde – Augustin Groz

02.06.2024
Alumnae & Alumni Stories
© Niklas Vogt

Der Schauspieler Augustin Groz mit österreichisch-französischen Wurzeln, studierte an der Universität Mozarteum Schauspiel und anschließend im Master of Fine Arts an der The New School in New York. 2023 erhielt er den Max-Ophüls-Preis als bester Nachwuchsschauspieler im Spielfilm von Özgür Anil „Wer wir einmal sein wollten“, der im Mai und Juni in österreichischen Kinos zu sehen ist.

Augustin Groz, 
Schauspieler

Wien, Berlin & New York

Erste Bühnenerfahrung sammelte Augustin Groz am Wiener Kindertheater unter der Leitung von Sylvia Rotter. 2016 folgten Engagements am Schauspielhaus Wien für die 504-Stunden Theaterinstallation „Cellar Door“ (Thomas Bo Nilsson). 2017 widmete er sich dem Musiktheater mit „Die Leiden des jungen Faust“ am Theater an der Wien (Daniel Pfluger). Sein Interesse für zeitgenössischen Tanz brachte ihn mit der Stückentwicklung „What Now” (Anna Balslev) zum Festival International des Écoles Supérieures d’Art Dramatique in Marokko, wo sie mit dem Stück den Spezialpreis der Jury erhielten. Es folgten 2019/20: „Neverland“ am Thalia Theater Hamburg (Antú Romero Nunez) und 2019 der israelische Kurzfilm: „The Last Nazi Hunter“ von Matan Galin & Yuval Berger (Steve Tisch School of Film & Television, Tel Aviv), für den er zwei Preise als bester Nebendarsteller erhielt.

 

Für Ihre Rolle in dem Spielfilm von Regisseur Özgür Anil „Wer wir einmal sein wollten“, erhielten Sie 2023 den Preis als bester Nachwuchsschauspieler vom Max-Ophüls-Festival. Gratulation dazu! Der Film ist am 11. Juni in Salzburg im Mozartkino zu sehen. Sie spielen den Bruder der Hauptfigur Anna (Anna Suk), die in einer Schauspielschule jobbt, wo sie regelmäßig daran erinnert wird, wer sie einmal sein wollte: nämlich Schauspielerin. Nun möchte sie jedoch Jus studieren und arbeitet auch sonst hart für ihre Unabhängigkeit. Als ihr Bruder dann mit einem blauen Auge auftaucht, gerät Anna irgendwo zwischen familiärer Verantwortung und Autonomie zusehends ins Stolpern. Wodurch zeichnet sich der Film aus Ihrer Sicht aus und warum sollten wir ihn unbedingt sehen?

Ich freue mich total, dass der Film nun in Österreich in die Kinos kommt. Ich liebe diesen Film und habe ihn sicher mindestens 20 Mal gesehen. Ich hatte schon während der Produktion wahnsinnig viel Freude bei der Arbeit. Wir waren ein besonderes Team von fast 100 jungen Menschen, die unentgeltlich an diesem Film gearbeitet haben. Ich glaube der Grund, warum wir so harmonisch miteinander gearbeitet haben, liegt im Skript, das ungemein viel Feingefühl beinhaltet. Das ist für einen Film und insbesondere einen österreichischen Film sehr wichtig. Nur circa fünf Prozent der in Österreich im Kino geschauten Filme sind österreichische Filme! Der Film ist sehr detailreich, es gibt so viele kleine Regungen, die für mich von großer Menschlichkeit erzählen. Man hat als Publikum so viel Zeit den Charakteren zuzusehen, wie sie ihre Entscheidungen im Lebensmoment treffen, aus ihrem sozialen Umfeld heraus. Das ist etwas Besonderes.

Wie bereitet man sich als Schauspieler auf Rollen, auch schwierige Charaktere, vor? Wie haben Sie sich auf Ihre Rolle vorbereitet?

Da gibt es vermutlich viele Antworten. Mit Anna habe ich sehr schnell eine gute emotionale Arbeitsbeziehung gefunden, wir konnten rasch eine intime geschwisterliche Beziehung aufbauen und wir haben sehr gerne miteinander gespielt. Das hilft natürlich bei der Vorbereitung auf den Film. Diese Geschwisterlichkeit hat sich natürlich entwickelt. Vertrauen war hier sehr wichtig. Dadurch war es umso interessanter herauszuarbeiten, wie Anna damit umgeht, wenn Patrik – der Charakter, den ich spiele – anfängt, sie zu manipulieren und auszunützen. Durch die Vertrauensbasis zwischen Anna und mir ergaben sich sehr viele Möglichkeiten, diesen Spielraum des Vertrauensbruchs auszuspielen, mit- und durcheinander. Natürlich habe ich das Skript sehr oft gelesen. Am Mozarteum war das Schauspielstudium sehr körperintensiv. Es gab sehr viel Sport und Tanz. Der Fokus des schauspielerischen Ausdrucks liegt weniger auf der Psyche, sondern vielmehr auf dem körperlichen Spiel und einer thematischen, politischen Auseinandersetzung mit einem Thema. Ich glaube, der Charakter entsteht aus diesem Zusammenspiel von Politik, Struktur, Thema und Körper. Das hat die Rolle des Patrik stark beeinflusst. Ich habe mir überlegt, wie sich ein Mensch bewegt, der in Wien verloren ist, stark auf der Suche ist, immer wieder Blödsinn macht. Ich kann mich an die erste Kostümprobe erinnern. Ich bekam ein paar Schuhe und ich dachte, es wäre cool, wenn er schnelle Schuhe hätte. Was immer das genau bedeutet.

Es gibt am Mozarteum kaum spezifische Ausbildung für Film. Ausbildungen sind meist bühnenlastig. Auf der Bühne ist das Jetzt, der Moment wichtig. Das kam mir in dem Film zugute. Ich habe mich auch bei dem Schnittmeister als erster bedankt, weil ich wusste, dass ich keine zwei Takes gleich gespielt habe. Ich habe viel improvisiert und der Regisseur Özgür Anil hat mir sehr viel Vertrauen geschenkt und so bin ich den Dreh sehr theatral angegangen. Im Sinne von: was bietet mir der Drehort an, was bieten die Kolleg*innen an, sodass sich der Raum öffnet, wie wenn man in einem dreidimensionalen Raum spielt und nicht nur für die Kamera. Es gibt in dem Film eine räumliche Tiefe, die ich erst später bemerkt habe.

Die Prozesse im Theater laufen anders ab als beim Film ... Was sind die schönen Seiten, und wo liegen die Herausforderungen?

Ich liebe Probenprozesse. Ich liebe es, über Themen, Skript, Charakter und politisches Milieu zu sprechen. Und ich liebe das Kollektiv und die Auseinandersetzung einer Sache mit und durch andere Menschen. Das ist eine der Besonderheiten am Theater. Beim Film ist das anders. In der Vorbereitung ist es beim Film für den Schauspieler eine eher einsame Angelegenheit. Daher versuche ich während des Drehs, in den Pausen, mit möglichst vielen Menschen zu sprechen und mich so dem Stoff im Gespräch anzunähern. Was ich beim Theater schon sehr gern habe, ist die Freiheit. Ich habe z.B. jetzt noch eine Masterproduktion hier in New York an der Uni gemacht und dabei konnte ich meine absurde Seite im Spiel ausleben. Man kann relativ groß und ausgelassen spielen, viel mit der Sprache tun, sich Fehler erlauben und diese auch auf der Bühne im Augenblick verwenden. Im Film braucht man einen großzügigen Regisseur, der so etwas erlaubt. Wobei das in vielen Filmen auch unangebracht wäre. Oft gibt es ja auch sehr klare Vorstellungen, welcher Realismus herrschen soll. Daher verbietet man sich als Schauspieler viele Impulse, die aus der Fantasie entstehen. Mir ist die Poesie in Bezug auf das Medium Film sehr wichtig.

Wer wollten Sie immer sein? War Ihr beruflicher Weg so geplant?

Früher dachte ich, man kann nur Rechtsanwalt oder Arzt werden. Ich begann Wirtschaftsrecht zu studieren, dann habe ich mich für den Medizinaufnahmetest vorbereitet und kurz davor riet mir mein Freund und Schauspieler Anton Widauer, mich für den Schauspielaufnahmetest anzumelden. Das Schauspiel war zuvor schon auch Thema, aber immer nur als Hobby. Mit dem ersten Aufnahmeverfahren für Schauspiel war klar, dass ich das unbedingt machen will. Das hat sich seither auch nicht mehr geändert. Ich suche und liebe die Intensität, die man auf der Bühne und vor der Kamera findet. Wenn ich das nicht erlebe, fühle ich mich einsam und fast ein wenig sinnlos. Ich bin nach New York gegangen, um noch mehr zu studieren. Vor allem Dinge, die nicht den reinen Fokus auf Schauspiel haben, sondern mehr auf Film und Schreiben.

Sie leben derzeit in New York und haben da Ihre Ausbildung mit dem „Master Of Fine Arts“ gerade abgeschlossen. Inwiefern hat sich Ihr Leben oder Ihr Blickwinkel verändert?

Es war ein sehr breites Studium, in dem man viele Kurse und Richtungen auswählen konnte. Mein Fokus war das Schreiben für Theater und Film. Ich habe experimentelle Filmkurse belegt und habe versucht, meine eigene Beziehung zum Filmschaffen zu expandieren. Ich bin ohne Fernseher aufgewachsen und weiß nicht, ob das eine österreichische Meinung ist, oder ob das nur die Meinung meiner Eltern war, aber der Grundtonus war, dass Film nur eine Ablenkung vom echten Leben ist. Einen Film anzusehen sei demnach weniger wert, als ein Buch zu lesen oder ins Theater zu gehen, ein Instrument zu spielen. Film als schlechter amerikanischer Einfluss. Und dann folgt oft noch die Meinung, in Amerika gebe es keine Kultur. Meine Erfahrung ist, dass es hier sehr wohl Kultur gibt – wie könnte es auch anders sein. Die Frage ist vielmehr, was Amerikaner*innen für sich als ihre Kultur definieren. Ich habe erst hier verstanden, auf welcher Ebene Film amerikanische Kultur ist. Ins Museum gehen ist Kultur, sich mit einem Film auseinandersetzen ist Kultur. Jeder Film spricht für seine Zeit und repräsentiert die Fragen dieser Zeit. Das wird genauso ernst genommen wie in Österreich klassische Musik. In New York kennen sich die Menschen sehr gut mit dem Medium Film aus. Sie kennen viel mehr Filmschaffende und Schauspieler*innen als ich, obwohl sie ganz andere Berufe haben. Das hat meine Art und Weise Filme zu konsumieren verändert, weil ich Filme nun viel genauer ansehe und mich damit intensiver auseinandersetze. Ich habe verstanden, welch intensives Kulturgut das sein kann und wieviel ein Film, wenn man ihn in seinem historischen und kulturellen Kontext betrachtet, über Kultur und Geschichte erzählt. Zudem habe ich begonnen zu schreiben, das wird bleiben.

Was waren bisher die wichtigsten Erfahrungen in Ihrer Berufslaufbahn?

Die Aufnahme am Mozarteum war für mich ein besonderes Erlebnis, weil mir da Menschen zugesehen und zugehört haben und auf eine Art und Weise mit mir interagiert haben, wie ich es bis dahin nicht gekannt habe. Ich hatte das Gefühl, ernst genommen zu werden und Interesse zu wecken, dafür, wer ich als Kunstschaffender sein kann. Auch im Vergleich zu meinem amerikanischen Studium ist dieser Aspekt am Mozarteum besonders. Das findet nicht überall statt. Für mich war auch der zeitgenössische Tanz sehr wichtig. In Salzburg gibt es das SEAD (Salzburg Experimental Academy of Dance). Ich bin so unglaublich dankbar für den Fokus auf den körperlichen Ausdruck und die Interaktion mit den Studierenden des SEADs, weil da eine Verbindung von Theater und Tanz stattfand, die gezeigt hat, wie sehr alle Kunstformen miteinander verbunden sind. Und diese Verbindungen wahnsinnig viel mit Schauspiel machen, in meinem Ausdruck als Schauspieler. Es ist nämlich leicht, den Sinn als Schauspieler zu verlieren. Ich denke immer wieder, dass das Schauspielen eine komische egoistische Arbeit ist – ich helfe niemanden. Wieso mache ich das? Das Fächerübergreifende und intrinsisch politische in der Kunst kann hier sehr hilfreich sein.

Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich mit auf den Karriereweg geben?

So intensiv wie möglich dafür zu kämpfen, dass Menschen beieinanderbleiben und zueinander finden. Auch innerhalb eines Studien-Jahrganges, obwohl das manchmal sehr anstrengend ist, weil es sehr persönlich wird, Dinge kompliziert werden und dadurch driftet man leicht auseinander, man geht sich aus dem Weg. Es passieren gerade so viele (politische) Dinge, die in meinem Leben dazu führen, dass Freundschaften auf die Probe gestellt werden, es schwierig wird miteinander zu sprechen, weil es scheint, als wären die moralischen Vorstellungen diametral unterschiedlich. Kulturelle Spagate füllen in der Hinsicht mein Leben und verdichten diese Diskurse. Es ist teilweise zu einfach geworden Menschen für Ihre Meinungen zu verurteilen, das fordert mich sehr heraus.

Ihr Spektrum und Ihre Fähigkeiten sind sehr breit – für mich fast beängstigend. Sie sprechen sechs Sprachen, betreiben zwischen Tanz, Akrobatik, Badminton, Bogenschießen, Eishockey, Fußball, Schlittschuhlaufen, Ski Alpin, Snowboard, Tennis, Trekking, Yoga, Fechten, Gewehr- u. Pistolenschießen sowie Reiten sehr viele Sportarten – womit beschäftigen Sie sich, wenn Sie nicht auf der Bühne oder vor einer Kamera stehen bzw. sich für ein solches Projekt vorbereiten?

Es ist nicht so, dass ich das alles täglich mache (lacht). Es ist eher so, dass ich jeden Tag überlege, was ich schreiben soll und daran verzweifle. Ich bin schon sportlich und experimentierfreudig. Es ist aber auch manchmal schwierig, da es sich so anfühlt, als würde man alles stehen und liegen lassen, wenn man sich etwas Neuem widmet. Aber Film und Theater sind eindeutig meine „Steckenpferde“.

Wie sieht Ihr Wunschspektrum aus, Ihr Wunsch ans Christkind? Was sind Ihre nächsten Projekte oder Pläne?

Ich ziehe mit September 2024 nach Berlin und habe im Augenblick einfach Lust, so viel wie möglich im Film und Theater zu arbeiten und Menschen kennen zu lernen, mit denen ich Projekte umsetzen kann. Ich bin nicht gut alleine, wichtig ist „a guade Community“!

Gibt es noch etwas, das Sie mit uns teilen wollen?

Ja, ich hoffe, dass alle Menschen, die das hier lesen, sich so schnell wie möglich Tickets für „Wer wir einmal sein wollten“ besorgen und sich mit Freunden einen langen schönen Kinoabend machen und den Film mit einem wachen, neugierigen und gütigen Auge betrachten. Danach ein Bier oder einen weißen Spritzer im Gastgarten, den ich schon so lange nicht mehr hatte, … also trinkt bitte einen für mich mit und genießt die Natur in Österreich, die ich sehr vermisse!

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