Er wirkt gemeinsam mit seiner Frau Anna-Katharina bei namhaften Ensembles wie den Elstätzinger Musikanten oder den Hammerauer Musikanten mit. Im Ensemble „Radau & Co“ haben sich Elisabeth und Josef Radauer sowie Katharina und Rupert Pföß zusammengetan, um Kindern Volksmusik näher zu bringen. Dabei sind interaktive Konzertprogramme, etwa für die Lauschkonzerte der Stiftung Mozarteum, für Konzertreihen der Jeunesse, der Salzburger Bachgesellschaft sowie für den Diabelli Sommer in Mattsee entstanden.
Sie sind seit frühester Kindheit der Musik verbunden, spielen Violine, Diatonische Harmonika, Kontrabass u.v.m. Woher kommt Ihre Liebe zur alpenländischen Volksmusik?
Die wurde mir in die Wiege gelegt. Meine Mutter musizierte bereits mit meinen Schwestern, der Tante und mit meinen Kusinen. So wuchs ich mit Musik auf und das war bei uns vorwiegend die Volksmusik. Als sich mein Papa eine Diatonische Harmonika kaufte, sprach mich das Instrument sofort an, ich war erst vier oder fünf Jahre jung. Vorerst bekam ich aber Unterricht an der Violine, weil meine Volksschullehrerin meinte, ich hätte das Zeug dazu (lacht). Heute bin ich sehr dankbar, dass ich auch einigermaßen Geige spielen kann.
Was ist Volksmusik? Welchen Zugang haben Sie zum Begriff und gibt es Veränderungen in der Volksmusik?
Da gibt es viele Definitionen. Meine Oma, Jahrgang 1899, sang mit Leidenschaft den Schneewalzer. Weil das Lied in ihrer Jugend vom Volk gesungen wurde. Heute ist es Volksmusik, damals war es bei Musikwissenschaftlern verpönt, weil es ein komponiertes Stück war. Es gab also damals schon Abgrenzungen. Viele Volkslieder wurden in nicht öffentlich zugängliche Archive eingelagert. Ich glaube das Wichtigste an der Volksmusik ist, dass sie nicht kommerzialisiert wird. Das entspricht nicht dem Wesen der Volksmusik. Früher war Volksmusik jedenfalls Musik, die mündlich oder durch Zuhören vermittelt, also nicht „bewusst“ komponiert und niedergeschrieben wurde, es wurde ohne fixe Noten gespielt. Heute ist das anders. Auch Volksmusik entwickelt sich natürlich weiter und ist deshalb keinesfalls alt oder verstaubt. Volksmusik entwickelt sich weiter und ist keinesfalls alt oder verstaubt. Es geht nicht um das Bewahren an sich. Weiterentwicklung ist wichtig, wenn man die Wurzeln dabei nicht vergisst. Was gut war, wird ohnehin nicht vergessen. Es gibt heute so viele junge Musikant*innen, die neue Stücke komponieren und niederschreiben und in bester Weise aufführen. Ein wenig kommerziell ist es schon, weil die Noten ja teilweise käuflich zu erwerben sind. Die Weitergabe dieser Musik passiert nicht nur in schulischen Institutionen, sondern auch über Social Media und in Seminaren, in denen viel auswendig musiziert und auch weitergegeben wird.
Ich habe manchmal das Gefühl, dass künstliche Gräben geschaffen werden. Etwa zwischen Musikrichtungen oder auch zwischen Kulturen. Sollte Musik nicht etwas Verbindendes sein?
Hier hat sich einiges verändert. Erstens aufgrund der Ausbildung an den Hochschulen, Konservatorien und Universitäten. Und zweites ist die Akzeptanz größer geworden. Vor allem seit Volksmusik an Musikschulen von ausgebildeten Lehrenden unterrichtet wird. Thomas Gansch (Anm: Mnozil Brass) sagte einmal, dass die Diskussion um die Richtung der Musik überflüssig sei. Für ihn gebe es nur eine Musik. Keine Trennung in Klassik oder Volksmusik oder was auch immer. Junge Menschen wollen gerne alles ausprobieren und es soll auch alles Platz haben.
Ist es wichtig, dass die Musikpädagogikausbildung an Universitäten stattfindet?
Absolut. Seit 1992 ist das Studium von Volksmusik-Instrumenten (Diatonische Harmonika, Hackbrett und Zither) in Salzburg an der Universität Mozarteum möglich. Ein triftiger Grund zur Einführung, damals hieß es „Hochschullehrgang“, war die Tatsache, dass ab Anfang der 1990er Jahre am damaligen Musikschulwerk nur mehr ausgebildete Musik-Lehrer*innen angestellt wurden. Das Studium ist sehr wichtig und auch sehr umfassend. Die Weiterentwicklung der Curricula für die genannten Instrumente ist über die letzten Jahre rasant fortgeschritten. Unser Klavierprofessor Günther Firlinger schätzte die Volksmusikant*innen hinsichtlich ihrer Gabe des Auswendigspielens, da er erkannte, dass sie ganz anders zuhören und dies eine wunderbare Basis für ein Grundverständnis ist. Instrumentalist*innen an der Diatonischen Harmonika hören z.B. in Stufen. Das wurde als sehr wertvoll empfunden.
War es immer Ihr Wunsch, Musikpädagoge zu werden? Wie kam es dazu?
Ich kam durch Zufall zur Musikpädagogik – quasi im dritten Bildungsweg (lacht). Ich bin gelernter Einzelhandelskaufmann. Nach der Lehre kam das Bundesheer und dann folgte eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Auch das ist ein Bereich, der mich immer schon interessierte. Ab 1993 arbeitete ich dann im familieneigenen Lebensmittelgeschäft. 1994 wurde ich gefragt, ob ich Interesse hätte, den „Hochschullehrgang für alpenländische Volksmusik“ am Mozarteum zu besuchen. Damals (Anm: ab 1992) wurden alle zwei Jahre vier bis fünf Studierende in diesem Fach aufgenommen, da nicht mehr Ressourcen zur Verfügung standen. Ich war zunächst sehr überrascht aber auch erfreut, diese Möglichkeit zu bekommen. Fast alle Studierenden des ersten und zweiten Jahrgangs (1992,1994) hatten bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung. Da es kein staatliches Stipendium gab (Anm: der Lehrgang war eine Landesinitiative), ging jeder weiterhin seinem „Brotberuf“ nach. Die einzige Unterstützung kam von der Kurt und Felicitas Vössing-Stiftung. 1996 begann ich bereits am Musikum zu unterrichten, obwohl die Ausbildung vier Jahre dauerte und ich noch im Studium war. Der Bedarf an Harmonikalehrenden war groß. Das ist heute wieder so. Am Musikum Salzburg unterrichten wir vor allem Kinder, obwohl die Nachfrage, Unterricht für Erwachsene anzubieten, immer mehr steigt.
Warum ist der Musikunterricht so wichtig für Kinder und für die Gesellschaft?
Musikunterricht ist für die Entwicklung unserer Kinder ungeheuer wichtig. Leider ist es derzeit noch nicht möglich, mit einem IGP-Studium (Anm.: Instumental-/Gesangspädagogik) an Pflichtschulen zu unterrichten. Besonders dort wird mit den Musikstunden auch sehr sparsam umgegangen und eher reduziert als ausgebaut. Daher ist unsere Musikausbildung umso wichtiger. Es gibt viele Studien, die belegen, dass Kinder, die Musik ausüben, Vorteile beim Lernen haben. Kinder stärken auch ihre Sozialkompetenz durch das Musizieren. Michael Seywald (Anm: langjähriger Sbg. Landesdirektor des Musikums) war es sehr wichtig, dass Kinder ab dem zweiten Musikunterrichtsjahr gemeinsam mit anderen musizieren, anstelle weiterhin nur Einzelunterricht zu erhalten. Im digitalen Zeitalter erscheint das noch viel wichtiger, denn es bedeutet mindestens 30 Minuten ohne Handy, stattdessen persönliche Betreuung.
Lehrer*innenmangel ist seit geraumer Zeit ein Thema in Österreich. Musikpädagogik ist davon auch betroffen. Worin liegen die Gründe?
Es heißt oft, dass Junglehrende nicht so gut bezahlt werden. Das mag sein, es ist aber auch Einstellungssache. Obwohl es gerade im Musikschulwesen nur selten möglich ist, an einem oder höchstens zwei Standorten eine volle Lehrstelle zu erhalten. Oft sind nur ein paar Stunden da oder dort zu bekommen. So ist das Unterrichten meistens mit viel Fahrzeiten und oft unpassenden Fahrplänen der öffentlichen Verkehrsmittel verbunden. Viele wollen aber auch keinen Fulltimejob mehr, damit sie selbst genug Zeit für freies Schaffen und ihre Musik haben – auch das ist verständlich. Für mich wäre das nie ein Grund gewesen, nicht bzw. weniger zu unterrichten. Es gibt trotzdem viele Freiheiten. Um dem Lehrendenmangel entgegenzuwirken, gibt es jetzt einige Ansätze und Initiativen – auch von Seiten der Hochschulen.
Wo liegen Ihre Herzensprojekte? Musikalische Projekte, die Sie besonders gerne verfolgen?
Ich musiziere gerne mit unseren Kindern, die mittlerweile 19, 17 und 14 Jahre sind, da ergibt sich natürlich eine Familienmusik. Meine Frau und ich spielen auch in verschiedenen Ensembles. Eines davon heißt „Radau & Co“. Wobei der Ensemble-Name schon zu Missverständnissen führte (lacht). Bei einem unserer Konzerte in einer Seniorenresidenz kam deshalb weniger Publikum, da man den Ensemblenamen „Radau & Co“ mit viel Lärm in Verbindung brachte. Dabei leitet sich der Name von unseren Familiennamen ab. Mit diesem Ensemble konzertieren wir über die Stiftung Mozarteum für Kindergärten und Schulen. Inzwischen sind bereits fünf verschiedene Programme entstanden. Das aktuelle Programm heißt „Die verschwundene Perücke“ und handelt von einer Musikerin, die als Mozart verkleidet auf einen Faschingsball gehen möchte. Allerdings hat sie nur das Gewand, findet aber die notwendige Perücke nicht. Schlussendlich finden wir sie nach längerem Suchen am „Dachboden“, wo auch so manche Instrumente auftauchen und diese mit volksmusikalischen Melodien, auch einem kleinen Menuett von Mozart, zum Klingen gebracht werden. Man erkennt dabei die enge Verbindung von so manchem Volksmusik-Stück und Mozarts Erstkompositionen. Dieses Konzert ist zur Musikvermittlung für die Jüngsten konzipiert.
Wie „fesseln“ Sie die Kinder?
Mit herzhaften Jodlern, schwungvoller, aber auch andächtiger Musik, der Text erzählt natürlich auch eine Geschichte. Die Volksmusik hat eine große Bandbreite, sie ist auch mit dem kirchlichen Jahreskreis verbunden. Wir hatten unlängst ein Konzert in einer sogenannten „Brennpunkt-Schule“, wo viele Kinder mit Migrationshintergrund unterrichtet werden. Und obwohl unsere Sprache, teilweise im Dialekt, für sie bestimmt nicht immer verständlich war, hatten wir durch viel Bewegung im Konzert und sehr großer Abwechslung der Melodien und Gesänge alle Kinder begeistern können.
Was ist das Schöne an Ihrer Arbeit beim Unterrichten? Was wollen Sie Kindern mitgeben?
Bei Kindern die Neugier für Musik zu wecken. Ihnen im Unterricht die Freude am Musizieren zu vermitteln, die ich selbst als Energiequelle erlebe. Das Musizieren als Ausdrucksmöglichkeit der eigenen Gefühle verstehen zu lernen, Selbstwertgefühl zu stärken und durch gemeinsames Ensemble-Spiel neue soziale Kontakte knüpfen zu können.
Und was würden Sie Ihrem jüngeren, studierenden „Ich“ mit auf den Weg geben?
Voraussetzung für den Beruf ist, gerne zu musizieren. Noch wichtiger aber ist die Leidenschaft für die Vermittlung. Man darf nicht gekränkt sein, wenn es nicht gleich funktioniert. Das Schöne ist, je länger man unterrichtet, desto mehr Wissen hat man und wird gelassener. Man lernt nach und nach, die Schüler:innen dort abzuholen, wo sie gerade sind. Genaue Pläne lassen sich da oft nicht einhalten. Man muss die Dinge wachsen lassen und darf die Geduld und die Hoffnung nicht verlieren. Ich unterrichte viele Kinder ab dem sechsten bis zum 17. Lebensjahr. Die Musik begleitet dann die Menschen oft ein Leben lang. Eine Gruppe von ehemaligen Schülerinnen musiziert nach vielen Jahren immer noch gemeinsam. Wenn sich so etwas ergibt, haben wir vieles richtig gemacht.
Gibt es auch Stolpersteine?
Es gibt Schüler*innen, die den Unterricht beenden, weil sie den Theoriekurs nicht machen wollen, der oft noch vom Musikunterricht entkoppelt angeboten wird. Dabei geht es um Musikkunde und Musiktheorie. Dieses Wissen ist umfassend und nützlich und man braucht es auch für die Leistungsbeurteilungen. Das ist sehr schade. Es wird aber an besseren Lösungen gearbeitet.
Sie sind auch am neuen ORIGO Volksmusikfestival der Universität Mozarteum im April beteiligt. In welcher Form und warum ist ein solches Festival mit Symposium, Konzerten, Gesprächen, Straßenmusik, Volkslied bis hin zu Volkstanz wichtig?
Vielen ist nicht bekannt, dass Volksmusik an einer Universität unterrichtet wird – die Volksmusik darf daher einmal mehr ins Blickfeld gerückt werden. Auch dass Musiklehrer*in ein Vollzeit-Beruf sein kann, ist nicht allen bewusst. Die Vereinigung der österreichischen Musikschulen (KOMU) arbeitet schon länger daran, dass auch dieses Berufsbild seinen Stellenwert im Ministerium erhält. Ein wenig mehr Breitenwirkung wollen wir schon erzielen. Ich bin mit dem Musikum, Alumni, Schüler*innenensembles und Preisträger*innen des Alpenländischen Volksmusikwettbewerbs und Herma-Haselsteiner-Preises bei den Wandelkonzerten beteiligt.
Gibt es noch etwas, das Sie uns mitteilen wollen, wonach ich nicht gefragt habe?
Ich denke einfach gerne an mein Studium und an meinen Professor Rudi Pietsch zurück. Das waren legendäre Vorlesungen. Eigentlich hätten wir den Unterricht damals aufnehmen müssen. Er hatte ein unglaubliches Wissen und hat sich stark dafür eingesetzt, auch Exkursionen zu unternehmen, sodass wir unseren musikalischen Horizont erweitern konnten. Geplant war eine Albanienreise, die aufgrund des Jugoslawienkrieges leider nicht zustande kam. Wir unternahmen aber eine Reise nach Lemberg und in die rumänischen Karpaten, um die Musik der östlichen Nachbarländer kennen zu lernen. Das sind Erlebnisse, die man nicht vergisst. Ich versuche als Lehrer, solche Erfahrungen weiterzugeben. Wir haben mit dem Musikum eine Reise mit 20 Schüler*innen nach St. Petersburg unternommen, im Austausch mit einer Musikschule vor Ort. Mit solchen Erfahrungen kann man den Musikschulunterricht zusätzlich aufwerten.