So kam sie im März 2022 an die Universität Mozarteum nach Salzburg, wo sie ihr Schauspielstudium am Thomas Bernhard Institut fortsetzte und bei einigen Theaterproduktionen mitwirkte. Im Frühjahr 2025 übersiedelte Mariia nach Wien, um weitere berufliche Erfahrungen zu sammeln.
Wie sind Sie nach Salzburg an die Universität Mozarteum gekommen?
Ich habe mein bisheriges Leben in verbracht, eine Musikschule mit den Fächern Violine und klassischen Gesang abgeschlossen und an der I. K. Karpenko-Karyi Kyiv National University of Theatre, Cinema and Television zweieinhalb Jahre Schauspiel studiert. Dann kam der Krieg. Mein Leben hörte von einem auf den anderen Tag plötzlich auf. Es gab kein Studium mehr, alle meine Freunde waren weg, es war nichts mehr wie zuvor. In diesem Moment verspürte ich eine unglaubliche Leere, ich wusste nicht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Es gab keine Perspektive, keine Zukunft. So ergriff ich die erste Chance, ohne lange zu überlegen. An meiner Universität in gab es Verbindungen zu anderen europäischen Universitäten. Zunächst hatte ich mich an der Bayerischen Theaterakademie August Everding beworben, da gab es allerdings keine Plätze mehr. Von dort bekam ich den Kontakt zum Mozarteum. Christoph Lepschy war meine erste Ansprechperson in Salzburg. Es gab bereits Studierende aus der Ukraine am Mozarteum mit denen ich telefonierte. Sie haben mir erzählt, was man am Mozarteum alles machen kann und wie die Bedingungen aussehen. Am nächsten Tag war ich schon unterwegs. Die Entscheidung fiel innerhalb eines Tages. Ich verließ die Ukraine einen Monat nach Kriegsbeginn.
War für Sie immer schon klar, dass Sie einen künstlerischen Weg einschlagen werden?
Eigentlich nicht. Meine Schulnoten waren immer sehr gut und ich habe wohl eine naturwissenschaftliche Begabung. Mathematik und Chemie fielen mir immer leicht und ich nahm an vielen Wettbewerben teil, die ich auch oft gewann. Meine Lehrer sahen für mich eher eine wissenschaftliche Zukunft. Als ich mich dann für Schauspiel entschied, waren viele sehr enttäuscht. Aber es ist die Kunst, die mir am meisten am Herzen liegt. Meine Mutter wollte, dass ich Regie studiere, ich war nach der Schule aber noch nicht bereit dazu.
Sie haben bereits bei einigen Filmen und Bühnenprojekten mitgewirkt. Welche Projekte waren das?
Das wurde mir ein wenig in die Wiege gelegt. Meine ersten Rollen hatte ich schon als Kind. Meine Eltern arbeiteten beide bei TV-Produktionen, meine Mutter war . Beim ersten Film war ich fünf Jahre jung und mit sieben oder acht Jahren spielte ich eine ziemlich große Rolle in einer TV-Serie. Als Teenager spielte ich bei einigen Krimiserien mit und so sammelte ich meine ersten Erfahrungen.
In Salzburg haben Sie bei Romeo und Julia und anderen Produktionen mitgewirkt, richtig?
Ja, das war eine Schauspielproduktion am Thomas Bernhard Institut. Darüber hinaus bei „Wolken.Heim“ von Elfriede Jelinek im Jänner 2024. Mein erster Schauspieljob in Österreich war eine Schauspielrolle in der Oper „Stabat Mater Furiosa“ beim Aspekte-Festival 2024. Ich verspüre die größte Leidenschaft für Musiktheater und wenn ich einen Weg wählen dürfte, wäre es dieser. Egal an welcher Stelle, auf oder hinter der Bühne. Ich finde die Arbeit mit dem Dirigenten, dem Orchester, die Zusammenarbeit mit so vielen Mitwirkenden sehr spannend. Musik ist derzeit eher Hobby, aber ich habe auch begonnen, Songs zu schreiben und es gibt verschiedene Konzerte der ukrainischen Community, beispielsweise in München oder Wien, wo ich mit einem kleinen Liederprogramm auftrat. Zudem habe ich für eine ukrainische Schriftstellerin Musik für ihre Lesung geschrieben. Ich versuche auch musikalisch nächste Schritte zu setzen.
Sie durften auch schon Festspielluft schnuppern. Was haben sie da gemacht?
Ich habe 2024 als Statistin in „Hoffmanns Erzählungen“ bei den Salzburger Festspielen mitgewirkt. Das war das großartigste Theatererlebnis, das ich bisher hatte! Damit habe ich auch eine große Leidenschaft für Oper entwickelt. Ich habe dann auch eine kleine Hospitanz am Opernstudio am Mozarteum bei Alexander von Pfeil gemacht und mich bereits für weitere Hospitanzen an verschiedenen Theatern beworben, bisher leider ohne Erfolg.
Abgesehen von der Kunst, was waren die größten Überraschungen für Sie in Salzburg?
Die Sprache natürlich. Es war ein langer und schwieriger Weg. Im ersten Jahr am Mozarteum, als ich noch „Gaststudentin“ gemeinsam mit anderen ukrainischen Studierenden war, durften wir in englischer Sprache spielen, auch der Unterricht war englisch. Parallel haben wir natürlich Deutschkurse besucht. Nach diesem Jahr, als wir als ordentliche Studierende aufgenommen waren, mussten wir alles in Deutsch machen. Auch die Gespräche zwischen den Studierenden sollten auf Deutsch geführt werden. Bei meinem ersten Projekt am Thomas Bernhard Institut mussten wir das Stück selbst in Deutsch schreiben. Das beinhaltete viele Konzeptionsgespräche. Täglich fünf Stunden Konzeptionsproben, viele Gespräche – das war unglaublich schwer. Aber es war ein riesiger Boost für mein Deutsch. Nach dem Projekt begann ich wirklich deutsch zu sprechen. Es war wie eine Schock-Therapie, die funktioniert hat. Nebenbei habe ich deutsche Medien wie Filme und Musik konsumiert.
Und wie war der Alltag? Gab es einen Kulturschock?
Ja, dass die Geschäfte sonntags geschlossen sind, war ein Kulturschock. Als ich entschied, nach Salzburg zu ziehen wusste ich nichts über die Stadt. Salzburg war für mich nur Heimatstadt von Mozart, mehr wusste ich nicht. Ich wusste z.B. auch nicht, dass Salzburg in der Nähe von Bergen liegt. Das war auch ein Schock, vor allem, weil ich vor einigen Jahren einen Traum hatte, in dem ich in den Bergen lebte. Das war eigenartig. Heute nach drei Jahren bin ich in die Natur in und um Salzburg verliebt, ich war auch oft wandern (lacht). Das angenehme an Salzburg ist, dass alles gut zu erreichen ist, alles ist nah, auch mit dem Fahrrad. In wäre Fahrradfahren sehr gefährlich aufgrund des starken Verkehrs und der großen Distanzen. Ich habe mein Rad auch nach Wien mitgenommen, ich kann nicht mehr ohne Fahrrad (lacht).
Sie fanden Unterkunft bei einer jungen Geigerin, auch einer Alumna des Mozarteums. War das ein Vorteil?
Ja, denn ich habe mich bei Franziska Strohmayr sehr wohlgefühlt. Ich bin sehr glücklich, dass ich bei ihr wohnen durfte. Sie ist ein so wunderbarer Mensch und da sie auch Künstlerin ist, haben wir uns sehr gut verstanden und hatten immer Interesse an der Arbeit der anderen. Der Abschied war richtig traurig, die Trennung fiel mir nicht leicht. Es ist ein seltsames Gefühl, diesen Teil meines Lebens hinter mir zu lassen – aber wir werden uns wiedersehen.
Wie wird Ihre Zukunft in Wien aussehen?
Ich bewerbe mich in verschiedenen Bereichen. Meine Interessen reichen von Schauspiel bis zu Regie. Schön langsam verstehe ich wie Theater funktioniert. Mein Geld verdiene ich aber derzeit im Museum und habe vor, mich als Tour Guide auszuprobieren.
Wollen Sie auch an Ihrer Gesangsausbildung weiterarbeiten?
Ja, eigentlich schon. Für eine Schauspielerin singe ich sehr gut. Für eine Musicaldarstellerin oder für das Musiktheater reicht es noch nicht. Ich überlege immer wieder, weiter Gesangsunterricht zu nehmen. Ich möchte gerne viele Optionen offenhalten.
Wie sehen Ihre Wünsche an die Zukunft aus?
Vor allem möchte ich einen Job am Theater finden. Ein anderer Punkt ist der Kontakt zu einheimischen Menschen. In den letzten drei Jahren war es für mich ein wenig schwer, genügend Kontakte zu knüpfen. Obwohl ich mittlerweile die Sprache spreche, gibt es immer noch eine unsichtbare Barriere zwischen mir und anderen Menschen, die hier leben. Das ist seltsam. Ich möchte in Wien versuchen, mir ein Netzwerk von lokalen Kontakten und Freunden aufzubauen. In meiner Heimatstadt hatte ich ein großes Netzwerk und das möchte ich auch hier versuchen. Zuhause bedeutet für mich, viele Menschen um mich zu haben.
Gibt es noch etwas, das Sie uns mitteilen wollen?
Ich denke, wenn es keinen russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gegeben hätte, wäre ich nie ins Ausland gegangen. Ich war zuvor nur einmal für ein paar Tage im Ausland. Vor drei Jahren ängstigte mich bloß die Idee, im Ausland zu studieren. Die Folgen des Krieges für die Ukrainer*innen sind sehr paradoxal und ungerecht. Einerseits sind tausende Menschen , andererseits viele Menschen neue Chancen erhalten. Ich strebe danach, meine Chance gut zu nutzen. Ich bin stärker, flexibler und mutiger als ich dachte, dass die Dinge, die bis vor kurzem noch unmöglich schienen, möglich sind.