Die Querflötistin und Instrumentalmusikpädagogin Sofiia Musina kam im April 2022 nach Salzburg an die Universität Mozarteum. Von 2017 bis 2022 studierte sie an der „Borys Grinchenko Kyiv University“ in der Ukraine und erlangte den Masterabschluss „Master of Musical Art. Educational and Professional Program: Musical Art“. Ihre Masterarbeit verfasste sie über den ukrainischen Komponisten Myroslav Skoryk.
Julia Rinderle - Pianistin
"Kultur ist systemrelevant!"
— Julia Rinderle: Pianistin, Deutschland
Wie haben Sie die Corona-Zeit als Künstlerin erlebt?
Es war schwierig, weil alle Verbote so schnell und plötzlich kamen und man sich so gar nicht darauf einstellen konnte. Man war plötzlich in der Situation, dass man nicht mehr auftreten durfte, dass es erstmal schwierig war, die Schüler weiter zu unterrichten. Ich habe einen Lehrauftrag an der Musikhochschule Hannover und da hat das Semester auch später begonnen. Man musste sich ganz schnell auf Onlineunterricht umstellen. Das fand ich aber eigentlich eine ganz gute Sache, da es zumindest ein bisschen weiter ging und kein völliges Loch entstand. Ich habe ziemlich viel online unterrichtet, Privatschüler und auch die Studierenden in Hannover. Das hat mich sehr über die Zeit getragen. Es gab Termine, ich habe gearbeitet, natürlich auch Geld verdient. Für freischaffende Künstler ist natürlich viel weggebrochen und das wird wahrscheinlich noch eine ganze Weile so bleiben. Man muss ganz schön kämpfen und wer weiß, wann Konzerte in relativ normaler Form wieder stattfinden können, so dass es erträglich ist für Veranstalter und Künstler. Das Fehlen an Zielen und konkreten Projekten war in den letzten Wochen schwierig. Man war es so gewohnt, von Konzert zu Konzert, von Projekt zu Projekt zu arbeiten und sich darauf vorzubereiten. Ich war total in dem Rhythmus drinnen und dann war das alles nicht mehr da. Aber es war auch schön, mal richtig Zeit zu haben, um sich intensiv mit einem Werk zu beschäftigen. Ich habe mich auch mit Kammermusikpartnern per Skype ausgetauscht, da wir nicht proben konnten. Wir haben Stücke analysiert und sind diese zusammen durchgegangen. Das war auf jeden Fall gewinnbringend. Es ging weiter, wenn auch in erschwerter Form.
Gibt es schon wieder Perspektiven? Wissen Sie schon, ob die geplanten Konzerte im Sommer, zum Beispiel Ihre China-Tournee, stattfinden wird?
Ich habe mit dem Veranstalter in China Kontakt, aber er konnte mir noch nicht genau sagen, ob es stattfinden kann oder nicht. Ich habe eine sehr vage Antwort erhalten. In China läuft ja alles schon wieder relativ normal weiter, aber bis vor ein paar Wochen durften auch noch keine Konzerte stattfinden und der komplette Unterricht an den Universitäten lief auch online. Ich weiß noch nicht, wie schnell sich das verändert und bin noch etwas skeptisch. Ich hoffe natürlich, dass es stattfindet, aber ich weiß auch noch nicht, ob ich einreisen dürfte. Es ist ja auch so, dass Studierende aus Asien das Semester in Österreich und Deutschland nicht wahrnehmen konnten, weil sie nicht herkommen durften.
Gibt es andere kleine Projekte oder braucht es mehr Vorlaufzeit für Künstler und Veranstalter?
Die Vorlaufzeit brauchen vermutlich die Veranstalter. Ich würde am liebsten nächste Woche wieder spielen….(lacht). Ich bin in Kontakt mit dem Kulturamt meiner Heimatstadt. Ich durfte ein wenig hinter die Kulissen blicken und wurde darüber informiert, was es bedeuten würde, zum Beispiel ein Open-Air-Konzert zu organisieren. Ich dachte, das könnte eine schöne Lösung sein. Aber man braucht auch einen Ort, der für ein Klavierkonzert geeignet ist. Der Ort muss absperrbar sein, es muss genug Leute geben, die die Hygiene- und Abstandsregeln kontrollierten. Das ist mit sehr viel Aufwand verbunden. Konzerte im Innenraum lassen das Publikum schnell schrumpfen und dann ist es die Frage, ob es sich für den Veranstalter lohnt. Ich plane aber, noch im Sommer ein Konzert in der Heimat zu spielen. Es gibt auch eine sehr schöne Plattform, „CouponConcert”, von jungen deutschen Musikern ins Leben gerufen. Da können Privatpersonen Hauskonzerte buchen. Das Konzept ist „pay now, play later“. Also man wird jetzt bezahlt und macht Termine für Ende 2020 oder für 2021. Das finde ich eine ganz schöne Idee, weil man jetzt Hilfe bekommt und man den Gutschein später einlösen kann. Es gibt schon einige kreative Konzepte und ein Hauskonzert ist dadurch schon zustande gekommen, ich denke, dass ich das im Sommer schon spielen kann. Alles weitere dann ab Herbst, da sind dann wieder Projekte geplant. Vermutlich auch unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln.
Das bedeutet aber, dass es sehr wichtig war, dass Sie ein zweites, pädagogisches „Standbein“ haben?
Unbedingt. Das wurde mir jetzt sehr klar. Ich war so froh, unterrichten zu können. Ich habe das immer gerne gemacht. Ich mache es jetzt nicht, weil ich denke, ich muss, sondern weil ich es wirklich gerne mache. Aber natürlich war ich sehr dankbar für den Lehrauftrag und für andere Schüler, die ich gewinnen konnte. Das Unterrichten hat mich über diese Zeit getragen.
Was war das schwierigste an dieser Situation für Sie?
Für mich persönlich das Einstellen auf den neuen Tagesrhythmus und zu akzeptieren, dass es gerade nicht geht. Anfangs dachte ich noch man könnte es ja so oder so angehen und irgendwann muss man dann doch akzeptieren, dass es nicht möglich ist. Jetzt gibt es die kleinen Hoffnungsschimmer, dass man mit reduziertem Publikum auftreten kann, das ist schon sehr schön. Mir hat es geholfen, die Situation dann anzunehmen. Aber es hat schon ziemlich lange gedauert. Und ich fand es auch ganz schwierig zu sehen, dass sich die Kunst so rechtfertigen musste vor der Politik. Dass Kunst sehr wohl systemrelevant ist (dieses Unwort), dass man dafür so kämpfen musste. Und da wurde auch klar, dass uns Künstlern vielleicht eine Interessensvertretung fehlt. Es ist halt schwierig, weil wir so viele Einzelpersonen sind und wir niemand haben, der für uns einsteht. Und dass man leider auch oft unklug war und Konzerte ohne Vertrag abschließt und dadurch auch Schwierigkeiten hat bei den Förderprogrammen. Das ging ganz vielen meiner Kollegen so. Es ist auch gang und gäbe, dass man Konzerttermine festlegt und ein Honorar erhält, aber keinen Vertrag abschließt. Daraus können wir sicher noch lernen.
Wie ist es Ihnen mit den Hilfsprogrammen in Deutschland ergangen?
Da habe ich mich natürlich auch immer informiert und musste auch feststellen, dass ich durch das Raster falle. Eine der Soforthilfen hätte nur Betriebskosten abgedeckt und was hat ein freischaffender Künstler für Betriebskosten? Es geht mehr um die Lebenshaltungskosten. Es war auch so, dass es von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich war. Durch den Föderalismus war alles sehr kompliziert. Ich habe mich beim Bundesland Bayern informiert und da gibt es jetzt ein Förderprogramm, das nicht wie die Soforthilfe nur die Betriebskosten abdeckt, sondern auch Gagenausfälle und ähnliches umfasst. Das Programm kann man jetzt von Mai bis September beantragen. Von Kollegen weiß ich auch, dass die Hilfe sehr unterschiedlich war. Manchmal ging es sehr schnell und dann wieder hat es sehr lange gedauert.
Wie erging es Ihnen mit dem Üben? Mussten Sie auf Nachbarn Rücksicht nehmen?
Gott sei Dank kann ich hier in meiner Heimat theoretisch Tag und Nacht üben.
Hat Corona auch positive Dinge hervorgebracht?
Mir wurde bewusst, dass ich kleine Sachen nun viel mehr schätze. Ich sehe wie kostbar die Freiheit, die wir vorher hatten, war. Ich hatte kürzlich wieder eine Trio-Probe und ich habe den Austausch mit anderen und das Spüren des Klangs so genossen, es war so schön wieder mit anderen zu musizieren. Zuvor war es Routine. Die Dinge, die selbstverständlich waren, schätzt man jetzt wieder mehr. Ich hoffe man kann das bewahren.
Gibt es etwas, was Sie sich für Ihre Arbeit wünschen?
Das ist eine schwierige Frage. Nun, die Zwischenlösung mit den kleinen Konzerten und den Hygieneregeln ist für den Moment zwar gut, aber auf Dauer ist das nicht dasselbe. Ich weiß nicht wie sehr Konzertbesucher das genießen. Ich habe kürzlich ein Bild aus dem Musikverein gesehen mit den vielen leeren Plätzen. Das war schon eigenartig. Deshalb wünsche ich mir einen Impfstoff oder ein Medikament, damit die Einschränkungen gelockert werden können. Sonst habe ich auch keine konkreten Ideen. Für mich sind das Streaming und die ganzen Onlinekonzerte keine Alternative. Das ist nicht vergleichbar mit einem reellen Kultur- oder Konzerterlebnis. Die Alternativen, die zur Überbrückung sicher gut waren, sind auf Dauer keine Lösung. Aber diese Erkenntnis ist auch positiv. Die Menschen vermissen die Kunst und sehnen sich danach. Das habe ich immer gehofft.
Gibt es noch etwas, was Sie uns mit auf den Weg geben wollen?
Am 4. Dezember darf ich das vierte Beethoven-Klavier-Konzert noch im Beethoven-Jahr! Im Herkulessaal in München spielen. Auf dieses Konzert freue ich mich ganz besonders und hoffe sehr, dass wir 2020 Beethoven noch würdigen können. Falls es wirklich stattfindet, möchte ich alle dazu einladen! Auf den Weg geben möchte ich allen viel Geduld, Verständnis füreinander, den unterschiedlichen Umgang mit der Situation, jeder reagiert anders, und dass man doch versucht sich gegenseitig zu unterstützen.