Wolfgang Richter - Bildender Künstler & Pädagoge

10.03.2023
Alumnae & Alumni Stories
Wolfgang Richter | © Hermann Schnöll

Wolfgang Richter studierte Germanistik und Geschichte an der Universität Salzburg sowie Bildnerische Erziehung an der Universität Mozarteum. Als Pädagoge unterrichtete er als Assistent an der Universität Mozarteum sowie an einem Salzburger Gymnasium. Er promovierte mit einer Arbeit über Original und Reproduktion in der Kunstbetrachtung. Neben seinen umfangreichen künstlerischen Tätigkeiten mit zahlreichen Ausstellungen u.a. in der Galerie Welz, dem Salzburg Museum, der Berchtoldvilla Salzburg und der Residenzgalerie Salzburg, engagiert er sich in verschiedenen Kunst-Kuratorien und Beiräten.

Wolfgang Richter:
Bildender Künstler und Pädagoge

Salzburg

 

Wolfgang Richter arbeitete 20 Jahre als freier Journalist (Kunstkritik) für die Salzburger Nachrichten und schreibt über Kunst und Künstler. Seit Ende der 1990er Jahre realisiert er „Landart Projekte“ und beschäftigt sich eingehend mit künstlerischen Projekten im Naturraum.

Ihr Tätigkeitsfeld ist sehr vielseitig. Sie arbeiten als bildender Künstler mit Zeichnungen, Radierungen, Linolschnitt, Tuschearbeiten, Objektkunst, Installationen, Skulpturen, darüber hinaus als Pädagoge und als Kulturjournalist. Wie dürfen wir uns Ihren Arbeitsalltag vorstellen?

Die Tätigkeiten als Pädagoge und Künstler waren zugegebener Maßen nicht immer ganz einfach zu verbinden. Als Pädagoge ist man im Zeitplan nicht ganz so frei und so dauern die Dinge einfach länger als wenn man „nur“ als freier Künstler arbeiten würde. Daher habe ich während meiner Lehrtätigkeit vor allem Druckgrafik gemacht. Projektarbeit und Ausstellungen waren schwieriger zu organisieren, es ging aber letztlich auch. Ich war bereits 15 Jahre berufstätig, bis ich zu meiner Passion „der Natur“ fand. Zu Beginn meiner Laufbahn habe ich oft den Fehler gemacht, Dinge, die ich künstlerisch umsetzten wollte, auf Ferien oder auf vermeintlich besser passende Zeitpunkte zu verschieben. Das funktioniert aber nicht. Wichtige Dinge muss man sofort machen – auch in der Kunst! Als Didaktiker war und ist mir auch das Schreiben über Kunst und Künstler*innen ein Anliegen. Ich verstehe das als praxisorientierte Art der Vermittlung. Im Augenblick arbeite ich an einer Monographie, in der ich mein Schaffen aufarbeite. Es wird um Dinge gehen, die ich mit der und über die Natur gelernt habe.

Was wollen Sie als Künstler vermitteln? Was soll Bestand haben?

Viele Betrachter*innen meiner Kunst erzählen, dass sie die Energie der Werke spüren, die ich beim Machen eingebracht habe. Naturmaterialien üben eine besondere Faszination aus. Man kann in der Natur sehr viel sinnliche Eindrücke erfahren und aufnehmen. Natur bedeutet Veränderung und der Zyklus in der Natur ist sehr spannend: Das Werden und Vergehen, der Kreislauf, der unser aller Leben bestimmt. Die Natur gibt uns viele Möglichkeiten der Regeneration. Das Thema ist durch den Klimawandel gerade sehr aktuell geworden. Wir fragen uns, inwieweit die Industrialisierung und die Handlungen der Menschen im Anthropozän zur Ausbeutung der Natur geführt haben. Ich arbeite zum Beispiel schon sehr lange mit dem Thema Untersberg (Anm.: aktuelle Ausstellung in der Residenzgalerie) und in diesem Zusammenhang ist mir die Geologie wichtig geworden. Wenn man sich mit Gesteinen, ihrer Entstehung und ihrem Wandel auseinandersetzt, eröffnet sich plötzlich eine sehr große zeitliche Dimension. Die Natur bietet mir hier eine schier unerschöpfliche Themenquelle und Steine im Besonderen. Die Frage, woher wir kommen und wohin wir gehen, bekommt unter diesen Gesichtspunkten eine neue Dimension. Im Prozess der Erosion verändern sich die Steine, Steine werden zerkleinert bis zum Sand, werden glattgeschliffen. Dieser Prozess des Schleifens macht Zeit bewusst. Ich will den Fluss und die Veränderung, die Kreisläufe mit meiner Arbeit zeigen, da wir Teil dieses Kreislaufs sind. In meinen Arbeiten wird auch ein kulturgeschichtlicher Hintergrund sichtbar und ich merke, dass dies bei den Betrachter*innen meiner Arbeit auch ankommt. Es ist mir wichtig, dass ich sehr einfache Materialien wie Steine, Sand und Erde verwende und dies vor einem bestimmten kulturgeschichtlichen Hintergrund. Man muss nicht sehr viel dazu lesen, um die Sinnlichkeit zu erfahren.

Im Prinzip beutet der Mensch die Natur schon sehr lange aus. Wir schädigen zum Beispiel die Wälder weltweit und dadurch verändert sich auch unser Lebensraum. Das geht natürlich weiter mit dem Verlust der Moore, dem Verlust der Artenvielfalt usw. Diese Themen spielen in meine künstlerische Arbeit hinein, ich möchte, dass man sich mit diesen Fragen beschäftigt. Mit der Geschichte der Erde und der Natur. Mit der Erkenntnis der eigenen Rolle auf dieser Welt wird man schnell sehr demütig.

Mit Ihrer Tätigkeit als freier Künstler und Kunstvermittler haben Sie bereits Preise erhalten. Was sind die Sonnenseiten und wo liegen die Herausforderungen in Ihrem Beruf?

Ich glaube es geht um die Sinnfrage. Ich beschäftige mich immer mit Dingen, die mich selbst interessieren und die mir wichtig sind. Ich finde es sehr wichtig, dass Pädagog*innen in den Disziplinen, die sie unterrichten, selbst forschen. Ein Übermaß an Theorie führt oft dazu, dass Schüler*innen den Überblick verlieren und die Freude am Lernen. Es ist wichtig, Neues auszuprobieren und Fehler machen zu dürfen, damit man sich weiter entwickeln kann. Lehrende, die sich als Praktiker täglich damit auseinandersetzen und um Lösungen ringen, können Themen ganz anders vermitteln. Dieser Zugang kann ein Motor sein sowohl für die pädagogische als auch für die künstlerische Arbeit. Darum glaube ich, dass jemand, der ein künstlerisch-pädagogisches Fach studiert, auch in diesem Fach künstlerisch arbeiten sollte, um die Erfahrung danach in den Unterricht einbringen zu können.

Wie wichtig ist die Arbeit mit jungen Menschen für Sie? Was wollen Sie vermitteln?

Ich arbeite sehr gerne mit sehr jungen Menschen, da ich die Erfahrung gemacht habe, dass Kinder umso offener sind, je jünger sie sind. Um gesamte Arbeitsabläufe und Prozesse vermitteln zu können, bediene ich mich gerne der Projektarbeit – von der ersten Idee bis zur Umsetzung. Es ist wichtig zu zeigen, dass auch Korrekturmaßnahmen normal sind. Das passiert in der Schule meist zu wenig. Vorgegebene Unterrichtseinheiten sind oft zu kurz, um sich mit einem Thema ausreichend zu beschäftigen. Da muss man als Lehrer*in kreativ sein, um Zeit und Raum dafür zu schaffen.

Was ist aus Ihrer Sicht für junge Künstler*innen wichtig? Wovon darf man sich nicht einschüchtern lassen? Inwiefern hat sich in den Jahren Ihrer Tätigkeit die Arbeit als Künstler und Pädagoge verändert?

Es hat sich viel verändert. In meiner Ausbildungszeit durfte man erst ausstellen, wenn man fertig ausgebildet war (lacht). Das war sicher nicht die richtige Strategie. Heute steht man als Künstler*in sehr rasch in der Öffentlichkeit und dadurch lernt man sehr viel – nicht zuletzt aus Dingen, die nicht funktioniert haben. Wichtig ist das Dranbleiben! Man muss sich ein Netzwerk aufbauen, Menschen kennen lernen, sich mit anderen austauschen, lernen, wie Dinge und Strukturen funktionieren. Auch außerhalb der eigenen Institution. Diese Erfahrungen macht man nur, wenn man aktiv und offensiv ist. Wichtig ist, sich zu trauen, ins Ausland zu gehen, über die eigenen Grenzen hinaus zu blicken. Die Szene in Salzburg ist überschaubar, die Möglichkeiten für künstlerische Sichtbarkeit sind zwar besser als früher, aber die Resonanz ist halt die einer Mittelstadt. Allerdings wurden die Fördermaßnahmen von Stadt und Land deutlich ausgebaut. Es gibt mittlerweile Ankaufprogramme, die Residencies, verschiedene Preise – hier hat sich einiges getan.

Welche Rahmenbedingungen brauchen bildende Künstler*innen?

Eine kritisch-wertschätzende Öffentlichkeit, die von den Medien begleitet wird.

Was ist besonders wichtig in der Kunstvermittlung? Wie kann man junge Menschen für Kunst begeistern?

Die Vorstellung, dass man Kunst nur verstehen kann, wenn man sehr viel darüber gelernt hat, führt in eine Sackgasse. Am Anfang ist Erfahrung wichtig, es gilt, neugierig und offen zu sein. Kunst spricht die Sinne an. Jedes Kunstwerk, ob musikalisch oder bildnerisch, ist ein Erlebnis und eine Anregung, die Lebensqualität zu verbessern. Wenn ich das erfahren habe, dann bin ich in einem zweiten Schritt auch motiviert und möchte mehr darüber wissen. Menschen haben das Bedürfnis, ihre Räume zu gestalten und auszuschmücken. Es geht darum, ein Bewusstsein für Qualität zu schaffen. Dafür braucht es Anreize und Angebote. Man kann Menschen zu Atelierbesuchen anregen und Schwellenängste zu Galerien abbauen. Als Einstieg kann man Druckgrafik günstig erwerben und man hat dennoch hochwertige Kunst, die herausfordert und Freude macht. Kinder sind im Umgang mit Kunst viel unvoreingenommener. Sie nähern sich einem Werk offener und entdecken dadurch sehr viel. Daher ist es wichtig, dass Menschen Kunst begegnen können. Das gilt auch für die Raumerfahrung in der gebauten Umwelt. Wir haben aus diesem Grund im Verein „architektur technik + schule“ eigene Programme entwickelt. Auch hier ist die praktische Erfahrung wichtig. Wissen kommt erst danach. Wenn Interesse besteht, eignet man sich automatisch Wissen in einem Bereich an. In der Schule wird Wissen oft zu einem falschen Zeitpunkt vermittelt, ohne persönlichen Bezug. Das ist nicht nachhaltig. Der niederschwellige Zugang zu Kunst ist wesentlich. Kunst ist kein Luxus, Kunst ist ein Lebensmittel! Kunst muss man entwickeln, pflegen und bezahlen - hier ist natürlich auch die Politik gefragt.

Beobachten Sie in den künstlerischen Fächern einen Lehrer*innenmangel? Und woran liegt das?

Ja, der Lehrer*innenmangel besteht auch in den künstlerischen Fächern. Die Arbeit geht auch den Kunstpädagog*innen nicht aus. Die Situation hat sich durch die guten Ausbildungsstätten in Linz und Innsbruck verändert. Es gibt nicht mehr so viele Gründe nach Salzburg zu kommen, um eine pädagogische Ausbildung zu absolvieren. Früher waren sehr viele Studierende aus den westlichen Bundesländern aber auch aus Oberösterreich in Salzburg. Viele von ihnen blieben auch nach dem Studium. Das ist heute nicht mehr so. In Linz hat man große Anstrengungen unternommen, um die Stadt attraktiver zu machen, auch im Kunstbereich. Die Konkurrenz ist stärker geworden.

Was brauchen Sie im Beruf, das Sie im Studium nicht gelernt haben?

Ausbaufähig ist sicher die Zusammenarbeit mit den Musikpädagog*innen. Diese Kooperation fehlt noch ein wenig und hier könnte man durchaus schon in der Ausbildung beginnen. Bei meinen Ausstellungen in der Residenzgalerie habe ich zum Beispiel eine Kollegin aus der Musik mit Klanginstallationen und Musik miteingebunden. Mir ist die Musik bei meinen Ausstellungen sehr wichtig. Nicht als „Rahmen“, sondern als Teil des künstlerischen Ausdrucks, ein interdisziplinärer Ansatz. Dieser Ansatz lässt sich sehr gut in den Unterricht integrieren. Es geht in der Pädagogik nicht zuletzt darum, Wege aufzuzeigen. Der Lehrplan lässt eigentlich viel Spielraum. Bei allen Debatten haben wir immer noch einen Rahmenlehrplan und man kann sehr vieles gestalten. Diesen vorhandenen Spielraum muss man allerdings lernen zu nutzen – je früher, desto besser! Das Zusammenspiel der Disziplinen macht unheimlich viel Spaß!

Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen wichtig. Zum Beispiel die Museumspädagogik. Museen sind ein wichtiger Lernort für die Praxis und daher wären Praktikumsplätze für Studierende in Museen sehr wertvoll. So kann man Institutionen mit deren Abläufen und Netzwerken kennen lernen. Das sind Ressourcen, die man als Künstler*in genauso braucht wie als Pädagog*in. Als Gründungsmitglied des Vereins für Architekturvermittlung – auch ein Teil der Kunsterziehung – habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Auseinandersetzung mit Architektur in der Praxis oft auf Baustilkunde reduziert wird. Das ist zwar gut abprüfbar, vermittelt aber nichts über den Stellenwert von gebauter Umwelt.  Es ist ebenso wichtig zu lernen, wie man projektorientierten Unterricht plant und organisiert, die Strukturen zu kennen, die für die Umsetzung von Projekten wichtig sind. Man kann sehr viel lernen, wenn man externe Expert*innen in Projekte einbindet. Egal ob Komponist*innen, Architekt*innen, Musiker*innen – sie alle bringen durch die Zusammenarbeit neue Blickwinkel und Vielfalt in Projekte. So lernt man an der beruflichen Praxis. Das fördert die Persönlichkeitsbildung und kann die Praxis des Unterrichtens enorm bereichern.

www.wolfgang-richter.eu

Das Zusammenspiel der Disziplinen macht unheimlich viel Spaß!

— Wolfgang Richter

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