Die Aufführung von Vincenzo Bellinis Oper I Capuleti e i Montecchi präsentierte eine eindringliche Neuinszenierung des Meisterwerks. Unter der Regie von Alexander von Pfeil entstand eine Produktion, die den Fokus auf die unerbittliche Feindschaft zweier Clans und die Verzweiflung ihrer Opfer legte. Diese Inszenierung verlegte die Geschichte in einen universellen, zeitlosen Raum und brachte Bellinis düstere Vision von Liebe und Krieg mit erschütternder Klarheit auf die Bühne.
Wolfgang Amadé Mozart: Die Zauberflöte
Übersicht
Was ist real, was ist Fiktion? In der "Zauberflöte" werden Blicke hinter die Kulissen geworfen: "Die Backstage-Atmosphäre ermöglicht es, live dabei zu sein, wenn der Zauber entsteht, führt aber gleichzeitig auch den beschwerlichen Weg dorthin vor Augen" - die beiden Regisseurinnen Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka heben ihre Inszenierung der "Zauberflöte" auf eine Metaebene und lassen zwei Erzählungen miteinander verschmelzen.
Musiklische Leitung
Kai Röhrig
Inszenierung
Magdolna Parditka und Alexandra Szemerédy
Bühnenbild
Michael Hofer-Lenz
Kostüme
Magdolna Parditka und Jiale Zhu
Dramaturgie
Christian Arseni
Musik
Orchester der Universität Mozarteum
Über die Produktion
Junge Menschen stehen vor großen Herausforderungen: Zwischen machtvollen Elternfiguren, die auf sie Einfluss nehmen, müssen sie ihren eigenen Weg finden. Mozarts „Die Zauberflöte“, eine der weltweit bekanntesten und am häufigsten aufgeführten Opern, widmet sich Fragen, mit denen auch viele Studierende am Beginn ihrer künstlerischen Laufbahn konfrontiert sind: Wer bin ich? Wo will ich hin? Wer will ich sein?
Die Inszenierung der Universität Mozarteum Salzburg mit Studierenden des Departments für Oper und Musiktheater eröffnet einen Blick hinter die Kulissen, indem sie das Publikum auf eine Probe entführt. Eine Regisseurin und ein Dirigent arbeiten hier mit jungen Sängerinnen und Sängern an der „Zauberflöte“. Doch sind Schmerz und Glück, Ängste und Hoffnungen von Mozarts Gestalten nicht auch jene ihrer Darsteller? Der Prüfungsweg, den die Hauptfiguren der „Zauberflöte“ beschreiten, wird zur Bewährungsprobe im realen Leben.
Durch die Zauberflöte zu sich selbst
Alexandra Szemerédy & Magdolna Parditka sprechen über ihre Inszenierung
(Interview: Christian Arseni)
„Wo bin ich?“ Die Antwort auf die ersten gesprochenen Worte, die Schikaneder Tamino in der „Zauberflöte“ in den Mund legt, lautet in eurer Inszenierung nicht: im Reich der Königin der Nacht, sondern: auf einer „Zauberflöten“-Probe. Wie kam es zur Entscheidung, diese neue Rahmenhandlung zu erfinden und auf die originalen Dialoge weitestgehend zu verzichten?
Alexandra Szemerédy: Wo bin ich? Wer bin ich? Wo will ich hin? Wer will ich sein? – Das sind Fragen des Sich-selbst-bewusst-Werdens, ein Erwachen des eigenen Selbst. Es geht darum, die eigene Position im Koordinatensystem zu bestimmen, um eine Art Selbstvermessung. Um eine „innere Reise“ beginnen zu können, ist diese Selbstbefragung unabdingbar: Sie markiert den Weg, der vom Zustand der Fremdbestimmung zur Selbstbestimmung führt. In unserer Interpretation ist es nicht nur Tamino, der gezwungen wird, sich diese Fragen zu stellen – dasselbe gilt für Pamina und im weiteren Sinne für alle.
Magdolna Parditka: Ja, wir proben die „Zauberflöte“, und gleichzeitig werden wir alle, als Teilnehmende, auf die Probe gestellt. Unser Ausgangspunkt war es, neben dem Werk selbst insbesondere die Arbeit am Werk in den Fokus der Inszenierung zu rücken, die von uns selbst erlebte Musiktheater-Realität auf die Bühne zu bringen. Wir zeigen genau das, was normalerweise hinter den Kulissen verborgen bleibt, stülpen sozusagen die Nähte nach außen und lassen die Zuschauer so einen Einblick in den Entstehungsprozess einer Produktion gewinnen. Die Backstage-Atmosphäre ermöglicht es, live dabei zu sein, wenn der „Zauber“ entsteht, führt aber gleichzeitig auch den beschwerlichen Weg dorthin vor Augen.
AS: Für unsere Parallelerzählung haben wir neue Texte erstellt, die auf verschiedenen Ebenen mit Schikaneders Original korrespondieren. Die Situationen, die wir erschaffen haben, befinden sich in ständiger Wechselwirkung mit dem „Zauberflöten“-Stoff: Dialoge, die wirken, als wären sie aus dem Augenblick heraus entstanden, stehen bewussten Zitaten aus dem Original gegenüber. Diese zwei Erzähl-Ebenen bedingen einander und vermischen sich, die Grenzen zwischen Spiel und Realität verschwinden nach und nach.
Die jungen Hauptfiguren der „Zauberflöte“ durchlaufen einen Prozess, aus denen sie als reifere, mündigere Menschen hervorgehen. Machen die fiktiven Interpreten und Interpretinnen, die in eurer Inszenierung diese Rollen verkörpern, vergleichbare Erfahrungen?
MP: Ja, auch hier geht es um eine Wechselwirkung: Wir erleben die Mitwirkenden bei der Arbeit an einer „Zauberflöten“-Aufführung und beobachten währenddessen, wie das Werk selbst Einfluss auf sie nimmt und sie verändert. Die Frage ist dabei: Forme ich die Rolle oder werde ich von der Rolle geformt?
AS: Unser Ziel ist es, eine Art Verschmelzung herbeizuführen. Die fiktiven Interpreten werden immer mehr in die „Zauberflöten“-Geschichte hineingesogen, und gleichzeitig werden die „Zauberflöten“-Figuren mit Situationen konfrontiert, die aus der Realität der Darsteller heraus motiviert sind. Diese Grenzüberschreitungen führen schließlich in eine neue Realität, in der sich die Handlung der Oper und die Parallelwelt der Interpreten geheimnisvoll vermischen.
Die beiden machtvollen Elternfiguren der „Zauberflöte“, die Königin der Nacht und Sarastro, erscheinen zumindest aus der Perspektive des jeweils anderen als Gegensätze. Wie wichtig sind diese Polaritäten, die Nacht-Licht-Symbolik für euch? Welche Rolle spielt die ältere Generation, vor allem die hinzuerfundene Figur der Regisseurin?
MP: Die Gegensätze der Perspektiven erscheinen in unserer Inszenierung in Form der gegen- oder miteinander wirkenden Kräfte von Musik und Szene. Die Darsteller werden in gewisser Hinsicht zu Spielzeugen dieser beiden Mächte. Und tatsächlich ist Musiktheater jene Kunstform, die genau aus dem Zusammenwirken dieser Polaritäten heraus existiert. Paminas und Taminos Aufgabe ist es, das Gelernte für sich zu nützen, sich dann aber von den „machtvollen Elternfiguren“ zu befreien und ihren eigenen Weg zu finden – wobei nicht gesagt ist, dass sie diesen für immer gemeinsam gehen werden.
AS: Die fiktive Regisseurin, Frau Stern, ist eine andere Erscheinungsform der Königin der Nacht, ähnlich wie der Dirigent, Herr Sonnig, eine Projektion von Sarastro ist. Durch diese beiden Figuren wird die stückimmanente Dualität von zwei Prinzipien noch stärker greifbar. Die Figur der Regisseurin reflektiert zugleich unsere eigene Auseinandersetzung mit dem Werk: Sie ist das Auge von außen, sie wirkt als Katalysator der Selbst- und der Werkbefragung.
Der Männerbund der „Eingeweihten“ zeigt frauenfeindliche Tendenzen, und dass Pamina an den Schlussprüfungen teilnimmt, ja dabei sogar zur Führerin Taminos wird, war von Sarastro sicher nicht so vorgesehen. Welchen Stellenwert nimmt die Figur der Pamina für euch ein?
AS: Pamina ist psychologisch gesehen die spannendste Figur: Sie steht im Kreuzfeuer gegensätzlicher Erwartungen, der Druck wird irgendwann unerträglich für sie und mündet in selbstverletzendem Verhalten. Die Darstellerin der Pamina gerät in ein dunkles Zwischenreich zwischen Realität und Fiktion, aus dem sie herausfinden muss: eine extreme „Prüfung“, die ihr vielleicht mehr innere Stärke abverlangt als allen anderen.
MP: Es war uns sehr wichtig, alle Interpreten und ihre Rollen als von Ambivalenz geprägt zu zeigen – zu verdeutlichen, dass sich alle zwischen den abstrakten Polen von „Nacht“ und „Sonne“ bewegen, und ihre Charaktereigenschaften nicht klischeehaft in eine einzelne Richtung zu biegen. Gerade bei der „Zauberflöte“ ist es notwendig, auch traditionelle Geschlechter-Rollenbilder zu überdenken, damit nicht „Mann“ und „Weib“ in den Vordergrund gerückt werden, sondern das Menschsein.
Termine & Besetzung
23. Juni 2021, 19.00 Uhr
24. Juni 2021, 19.00 Uhr
25. Juni 2021, 19.00 Uhr
26. Juni 2021, 16.00 Uhr
Max Schlereth Saal
- Pamina: Karolina Bengtsson (23.06./25.06.), Sophie Negoita (24.06./26.06.)
- Königin der Nacht: Regina Koncz (23.06./25.06.), Seung-Hyun Kim (24.06./26.06.)
- Erste Dame: Donata Meyer-Kranixfeld
- Zweite Dame: Emelie Christensen
- Dritte Dame: Neelam Brader
- Papagena: Maria Augustina Calderón
- Erster Knabe: Sophie Schneider
- Zweiter Knabe: Thorhildur Steinnen Kristinsdottir
- Dritter Knabe: Alicia Feodora Grünwald
- Tamino: Dagur Þorgrímsson (23.06./25.06.), Niklas Mayer (24.06./26.06.)
- Monostatos: Konstantin Igl
- Papageno: Jakob Hoffmann (23.06./25.06.), Máté Herczeg (24.06./26.06.)
- Sarastro: Qi Wang
- Sprecher: Kuan-Ming Chen
- 1. Geharnischter: Rodrigo Alegre Vargas
- 2. Geharnischter: Kuan-Ming Chen
- Frau Stern, Regisseurin: Ulrike Arp
- Herr Sonnig, Dirigent: Kai Röhrig
- Präsident: Andreas Macco
- Iris: Ulrike Arp
- Stimme: Volker Wahl