Eine neue Heimat - Ziyu He

15.03.2024
Alumnae & Alumni Stories
Ziyu He | © Sofija Palurovic

Ziyu He war einer der jüngsten Solisten der Wiener Philharmoniker, als er 2017 im Alter von nur 18 Jahren im Musikverein unter Adam Fischer debütierte. Im Jahr davor gewann er sowohl den Internationalen Mozart-Wettbewerb in Salzburg als auch den Yehudi-Menuhin-Wettbewerb und 2014 war er der Eurovision Young Musician of the Year. Er ist Geiger des renommierten Altenberg Trios.

Ziyu He
Geiger

Ziyu He begann im Alter von fünf Jahren in seiner Heimat China bei Xiangrong Zhang Geige zu lernen. Mit nur 10 Jahren wurde er von Paul Roczek eingeladen, in Salzburg an der Universität Mozarteum zu studieren, wo er im Sommer 2021 das Masterstudium Violine bei Paul Roczek und im Januar 2024 das Masterstudium Viola bei Thomas Riebl sowie ein Postgraduate Studium Violine bei Benjamin Schmid abschloss. Er spielt eine Geige von Antonio Stradivari aus dem Jahr 1698, die ihm von der Österreichischen Nationalbank zur Verfügung gestellt wurde und eine Giuseppe Guadagnini Viola, datiert 1797. 

Ein Gespräch mit A.o. Univ.-Prof.in für Musikpädagogik Dr.in Michaela Schwarzbauer am 5. Februar 2024:

 

Du hast deine Geigenausbildung in China begonnen, bist aber doch sehr früh nach Österreich gekommen. Ich denke, es ist ein gewaltiger Schritt, in diesem Alter in einen ganz anderen Kulturkreis zu kommen?

Ich war elf Jahre, als ich ankam. Es war für mich gar nicht so schwer, denn ich war jung und sehr offen. Ich bin als Mensch auch jetzt immer noch sehr offen für vieles, aber tatsächlich − jetzt einen so großen Schritt zu machen, in ein komplett anderes Land zu übersiedeln, in Asien oder in Amerika zu leben, das wäre für mich fast unmöglich in meinem jetzigen Alter. Für meine Eltern war das eine große Entscheidung – eine bisschen verzweifelte Entscheidung, denn sie wussten ja nicht, ob dieser Schritt gelingt. Aber Gott sei Dank ist es gelungen, und meine Eltern sind noch sehr glücklich zusammen. Für mich war das damals kein Problem, ich wollte ja als Kind schon immer gerne mal nach Europa kommen und die Welt anschauen. Es war kein Kulturschock, aber doch ganz anders für mich. Ich war sehr neugierig auf alles, was hier so läuft, sowohl die Musik als auch die Menschen. Alles hat mich sehr interessiert und ich bin auch in Salzburg zur Schule gegangen.

Offensichtlich war es für dich ein sanfter Übergang. Ich glaube, deine Mutter hat dich nach Österreich begleitet. War es für sie auch so einfach?

Ich glaube nein. Ich finde, es war ein sehr mutiger Schritt für meine Eltern, dass sie überhaupt zugelassen haben, dass meine Mutter alleine mit mir nach Salzburg kam und hier mit mir sechs Jahre gelebt hat. Dafür bin ich meinen Eltern sehr dankbar.

Es ist ein großer Sprung – auch sprachlich. Wie hast du das erlebt? Hast du vorher schon Deutsch gelernt?

Ich habe die Sprache vorher ein bisschen gelernt, aber ich konnte nur einfache Dinge wie begrüßen. Daher habe ich am Mozarteum zuerst diesen „A 1“ oder „A 2 Kurs“ belegt. Es folgte ein Intensivkurs, und ich musste innerhalb von einem Monat „B 1“ absolvieren. Da habe ich tatsächlich sechs bis sieben Stunden pro Tag die Sprache gelernt. Danach war meine Schriftsprache einigermaßen okay. Aber dann bin ich in die Schule gegangen und da war die Aussprache doch ganz anders, als man das im Kurs gelernt hatte oder geprüft worden war. Ich erinnere mich noch an die Mathematiklehrerin. Sie war sehr, sehr streng und hat immer salzburgerisch geredet, sodass ich am Anfang kaum etwas verstanden habe. Aber mit elf Jahren erlernt man alles recht schnell. Ich habe ein paar Monate gebraucht, um dann mit anderen ohne Probleme reden zu können – auch im Salzburger Dialekt.

Das heißt, du bist sofort hier in die Schule gegangen. Ich nehme an, ins Musikgymnasium?

Nein, leider nicht. Ich bin in die St. Andrä-Schule gegangen. Das war insbesondere eine Entscheidung meines Lehrers Paul Roczek, da ich, wann immer es notwendig war, fehlen durfte. Das war der Luxus in dieser Schule. Die Abwesenheitsregel im Musischen Gymnasium ist sehr streng und man darf nicht einmal zu einem Wettbewerb fahren und eine Woche oder zehn Tage abwesend sein. Eben darum bin ich in diese Schule gegangen. Vom Niveau her war der Anspruch natürlich nicht so hoch. Nachmittags war ich immer im Mozarteum bei Vorlesungen oder im Unterricht.

Wie kommt man mit jungen Menschen in der Schule zurande, wenn man fremd erscheint und die Sprache noch nicht ganz hundertprozentig beherrscht?

Das war für mich am Anfang so nicht zu merken, da die Mitschüler, denke ich, sehr neugierig auf jemanden waren, der vom fernen Asien kam. Außerdem waren auch andere internationale Schüler*innen in der Schule. Auseinandersetzung gab es eher, da ich einen Sonderstatus bekommen habe, nämlich immer reisen durfte und trotzdem ziemlich gute Note geschrieben habe. Das war eine schwierige Zeit in der Schule. Aber ich denke, es war wichtig, dass ich in meinem damaligen jungen Alter in die Schule gegangen bin und mit gleichaltrigen jungen Menschen zu tun hatte. Das ist sehr, sehr wichtig für die Entwicklung – ob das gut war oder schlecht war, ist Nebensache, es gehört dazu.

Ich nehme an, am Mozarteum waren die Verhältnisse andere: viele ältere Studierende, zumindest zu der Zeit waren sie um einiges älter als du.

Das ist mein Zuhause! Damals fühlte ich mich zu Hause und ich tue das jetzt noch immer.

Ich erinnere mich, man hat dich auch sehr oft am Mozarteum gesehen. Dein Lehrer Paul Roczek war sicherlich ein ganz wichtiger Anker?

Genau, er war und ist mein Mentor und hat mich sozusagen entdeckt und meine Entwicklung geprägt.

Und er hat dir viel Zeit geschenkt und offensichtlich auch alltägliche Fragen für dich geklärt, wie etwa die Schulwahl.

Ja. Er war immer da und er hat mich, was man heute bei Lehrenden leider nicht mehr oft findet, nicht nur musikalisch geprägt, sondern auch als Mensch, in meiner Persönlichkeit. Wir sind damals, als ich nach Österreich gekommen bin, jede Woche einmal essen gegangen. Er hat mich und meine Mutter traditionelles österreichisches Essen kennenlernen lassen und wir sind auch wandern gegangen. Also er hat mir nicht nur geigerisch und musikalisch vieles gezeigt, sondern auch andere wichtige Dinge, die zum Leben gehören: Wie man lebt und mit anderen Menschen zurechtkommt. Das wird mich ein Leben lang begleiten.

Ich denke, das ist auch wichtig, denn nur so kann sich die Ambition für die Geige richtig entwickeln. Du warst neugierig, für dich gab es gar nicht so viele Probleme wie offensichtlich für deine Mutter. Was waren zu Beginn die größten Herausforderungen für dich?

 Für mich war es hier ganz wunderbar, denn ich bin ja eigentlich wegen der Musik gekommen. Und die Musik hat mich tatsächlich sehr inspiriert. Du musst dir vorstellen, dass ich aus der chinesischen Küstenstadt Qingdao stamme. Das war ursprünglich eine deutsche Stadt und ich komme aus dem ehemaligen deutschen Teil. Aber natürlich spricht da niemand mehr Deutsch, obwohl die Gebäude noch an die deutsche Kolonialzeit erinnern. Vielleicht ist da etwas Magisches dabei, dass ich gerade nach Österreich, in ein deutschsprachiges Land gekommen bin. Aber die Atmosphäre ist in Salzburg einfach anders. Du riechst hier überall einen Hauch von Musik. Und damals wurde noch viel mehr auf der Straße musiziert. Das war für mich eine andere Welt. Und ich kann mich noch an meine ersten Eindrücke erinnern. Meine Mutter nahm mich jeden Sonntag mit in die Kirche und ich durfte dann auch die Orgel hören. Das kannte ich aus China gar nicht. Wir sind auch viel in die Oper gegangen und ich habe jeden Tag mindestens einen Klassenabend verschiedenster Instrumente besucht. So habe ich in einem Jahr alle Klassen und auch viele Studierende kennengelernt. Ich habe immer im Programmheft mitgeschrieben, was besonders, was gut und was schlecht war. Und das hat mich auch als Mensch und Musiker entwickelt.

Hier hast du sozusagen deine Urteilskraft entwickelt, indem du selbst als kleiner Musikkritiker in die Klassenabende gegangen bist. Das heißt auch, dass Kontakte zu anderen Studierenden zu finden – auch zu älteren Studierenden – für dich überhaupt nicht schwer war?

Das war nicht schwer und, wie gesagt: Ich war einer der wenigen jüngeren Studierenden am Haus und ich durfte schon früher in Vorlesungen gehen. Mit Tonsatz und Gehörbildung durfte ich schon mit 14 oder 15 beginnen. Ich konnte die „normalen Sachen“ mitmachen und diese wurden auch anerkannt. So habe ich viele Professor*innen und ältere Studierende kennengelernt und bin mit ihnen intensiv in Kontakt geblieben.

Du sprichst hier von „dürfen“. Du sprichst davon, dass man in eine Tonsatz-Lehrveranstaltung oder eine Musikgeschichtsvorlesung gehen darf. Für viele Studierende ist der Besuch von Theoriekursen neben dem Instrumentalstudium eher ein Muss.

Nein, ich finde, das ist sehr wichtig, das gehört alles dazu zu meinem Beruf, auch wenn ich später nicht mehr einen Choralsatz schreiben muss. Das Können bleibt ein Leben lang und deshalb sage ich, dass man darf. Ich bin dankbar, dass ich sehr jung schon das lernen konnte, was andere erst später lernen dürfen.

Und dein Lehrer hat dich in dieser Richtung immer bestärkt, auch wenn es Stunden waren, die du auch auf der Geige hättest verbringen können?

Ja, er war immer dafür, dass ich viele andere Dinge ausprobiere, auch Improvisation. Er war sehr, sehr offen und sehr vorausschauend. Obwohl ich damals viele Sachen nicht verstanden habe, habe ich sie trotzdem gemacht. Ich dachte, wenn er etwas sagt, dann weiß er, wozu es gut ist. Und heute blicke ich zurück und kann sagen: Es war alles sehr wichtig, es waren richtige Entscheidungen.

Und dann wird man irgendwann erwachsen, oder? Man kommt plötzlich auch als Geiger in diese Situation: Jetzt bin ich nicht mehr nur Kind, sondern stehe an dieser Schwelle zum Profitum, bin am Weg zum selbstbestimmten Künstler. War das eine schwierige Zeit oder vollzog sich alles nahtlos? 

Es war am Anfang sehr sanft, aber eben später, wenn man in diesem Beruf ist, kommen ziemlich große Wellen. Ich denke an die Zeit nach dem Gewinn des Menuhin-Wettbewerbs. Damals bekam ich einige Einladungen zu professionellen Konzerten. Ich war überzeugt, dass das mein Beruf sein wird. Natürlich habe ich damals weiterhin viel studiert, ich hatte mein Bachelorstudium noch nicht abgeschlossen. 2017, nach meinem Debüt mit den Wiener Philharmonikern, begann meine Konzertkarriere so richtig. Ich hatte nicht den Eindruck, dass das ganz anders war. Es war quasi alles vorbereitet, es war kein Sprung, sondern es war alles ein natürlicher Aufbau.

Du hast aber auch gesagt, die Wellen kommen später. Was sind das für Wellen?

2018 habe ich erstmals einen Vertrag bei einer Agentur unterschrieben und nichts anderes erwartet als dass eine Woche später schon große Konzerte folgen, was natürlich Blödsinn ist – aber so habe ich mir das vorgestellt. Tatsächlich kamen 34 Wochen lang keine Konzerte zustande und da wurde ich ziemlich depressiv. Ich habe tatsächlich überlegt, ob eine Musikerkarriere Sinn macht. Sollte ich weiter als Geiger arbeiten oder lieber etwas anderes machen? Ich habe einen musikalischen Freund, der ein sehr guter Geiger und Dirigent ist. Er ist aber auch Besitzer von einem Michelin-Restaurant. Er kocht wunderbar und ich habe ihn damals auch als Vorbild gesehen, weil ich mich sehr für Kochen interessiere – auch heute noch. Damals habe ich gedacht: Gut, vielleicht sollte ich lieber mit der Geige aufhören und auch Koch werden und vielleicht später mit etwas Glück ein Sternerestaurant eröffnen. Ich habe diese Idee nicht mit vielen geteilt, sehr wohl aber mit Paul Roczek und mit meinen Eltern. Meine Eltern waren sehr offen und hätten mich weiterhin unterstützt. Aber Paul Roczek hat einen ganz wichtigen Satz gesagt, der mich sehr geprägt hat: „Die Kochwelt wird dich nicht vermissen, aber die Geigenwelt wird dich sicher sehr vermissen.“ Das hat mich zum Nachdenken gebracht und Gott sei Dank kamen dann einige Konzerte, sodass ich mir gedacht habe: Okay ich probiere das noch einmal aus. Wenn es gut geht, bleibe ich dabei. Und ich bin bis heute dabeigeblieben.

Das finde ich toll. Ich zweifle nicht daran, dass du auch ein hervorragender Koch wärest und ich würde gerne bei dir essen, aber trotzdem bin ich über deine Entscheidung sehr dankbar und unterstreiche das, was Paul Roczek gesagt hat: Es braucht den Geiger und Bratschisten.

Ja, ich glaube, das war die richtige Entscheidung. Es passieren immer wieder Sachen, über die man sich den Kopf zerbricht und sich viele Sorgen macht. Das gehört leider zu unserem Beruf immer dazu, denn man ist nicht fix angestellt, es gibt keine Sicherheit und man muss immer kämpfen und Glück haben.

Sieht man dann andere Geiger*innen und Bratschist*innen urplötzlich auch als Konkurrenz?

Vor allem später, wenn man in den Beruf geht, gibt es sehr viel Konkurrenz, weil die Welt leider nicht so viele Solist*innen braucht. Man muss da nicht nur kämpfen, sondern man braucht auch Glück und viel Geduld. Aber es bringt sehr wenig, wenn man sich fragt: Warum hat sie oder er diese Konzerte geschafft und ich nicht? Bin ich gleich gut, bin ich besser oder schlechter? Vergleiche darf ich eigentlich nur mit mir selbst ziehen, das bringt mich wirklich weiter.

Das heißt, du kannst auch in Konzerte von anderen gehen und dich freuen und sagen: Das ist toll und diese Interpretation ist spannend?

Ich gehe sehr gerne in Konzerte. Was mich wirklich inspiriert hat, waren Konzerte bei den Salzburger Festspielen im letzten Jahr: Ich denke da an Tabea Zimmermann, Jean-Guihen Queyras und Isabelle Faust. Sie haben alle ein Solostück gespielt und ein paar Stunden später Kammermusik. Es war eine Sternstunde für mich, und das werde ich nie vergessen. Die drei großen Künstler*innen – und ich sehe sie als echte Künstler*innen – wie vorbildlich sie agierten! Natürlich gefallen mir nicht alle Konzerte, in die ich gehe, aber man kann dennoch immer Inspiration erhalten.

Das heißt, wenn eine Einladung von Frau Faust kommt, mit ihr in einem Kammermusikabend aufzutreten, dann wäre das für dich eine Sternstunde?

Es wäre ein Traum für mich. Ich halte sie für eine einzigartige Künstlerin und ich liebe ihre Interpretationen.

Hat man selbst auf der Bühne auch das Gefühl: Heute, das war eine Sternstunde? 

Das könnte vorkommen, aber für mich leider nicht sehr oft. Man ist natürlich immer sehr kritisch zu sich selbst. Aber natürlich gibt es manche sehr gute Konzerte, die man im Nachhinein wirklich schätzt, vor allem wenn die Aufnahme auch gut klingt. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an eines der besten Konzerte, die ich hier gespielt habe, aber leider sind es nur einzelne, seltene Fälle. Ein Konzert ist nie hundertprozentig. Es passieren immer kleine Fehler, auch bei den großen Künstler*innen, und das stört uns Künstler*innen sehr ‒ wobei das Publikum wahrscheinlich nachsichtiger ist – aber man erwartet von sich selbst immer das Beste. Man will immer besser werden.

Du bist noch sehr jung, da kommen sicher noch sehr viele tolle Erlebnisse. Wir haben schon ein bisschen über Wettbewerbe gesprochen. Du hast bei relativ vielen Wettbewerben mitgemacht, auch gewonnen: Ich denke an den Mozartwettbewerb und den Menuhin-Wettbewerb. Sind Wettbewerbe wichtig und ist es vielleicht auch wesentlich, einmal nicht zu gewinnen?

Es gibt hier zwei unterschiedliche Meinungen: Manche sagen, Wettbewerb ist wichtig, weil das sozusagen die Türe zu einer Karriere öffnen könnte. Andere sind der Meinung, dass ein Wettbewerb unwichtig ist, weil es heutzutage zu viele Wettbewerbe gibt, weshalb die meisten Gewinner*innen später keine entscheidende Rolle auf der Bühne spielen. Da stimme ich zu, aber meiner Meinung nach ist Wettbewerb dennoch absolut richtig und wichtig. Es geht schlussendlich nicht nur darum, zu gewinnen. Natürlich ist es schön, wenn man einen Preis bekommt, aber es ist auch wichtig, wenn man manchmal oder öfters nicht gewinnt. Nur so vermag man sich weiterzuentwickeln, und man sieht andere Leute, die Spitzen aus der ganzen Welt, denn die sehr guten Künstler*innen, die zusammenkommen, stammen nicht alle aus einem Ort. Wenn zum Beispiel jemand der*die Beste in Salzburg ist, wird er*sie auf viele Musiker*innen aus anderen Gegenden treffen, und dann wahrscheinlich nicht mehr der Beste*die Beste sein – obwohl der Beste*die Beste kann man ja eigentlich auch nicht sagen. Wer ist der Beste*die Beste? Musik kann man nicht vergleichen, aber tatsächlich finde ich es gut, dass ein Wettbewerb die Augen ein bisschen öffnet und deutlich macht: „Ah, das kann man ja auch anders spielen.“ Es gibt nicht nur eine Art zu interpretieren, sondern viele Arten, auch was der Jury gefällt und was nicht und wie die Jury sich verhält kann unterschiedlich sein. Es ist alles Erfahrungssache. Ich kann mich an meine ersten Wettbewerbe erinnern: außer bei einem deutschen Simon Goldberg Wettbewerb habe ich damals ziemlich lange keine Wettbewerbe gewonnen – wenn überhaupt, dann nur zweite und dritte Plätze. Als junger Dreizehn- oder Vierzehnjähriger war ich nicht sehr erfolgreich in dieser Szene, aber das hat mich stärker gemacht. Ich habe gelernt, wie man ein Programm vorbereitet und wie ich meine eigene Interpretation gestalten will. Das finde ich sehr wichtig und natürlich verdanke ich es dem Menuhin-Wettbewerb, dass sich eine Tür zu einer solistischen Karriere geöffnet hat. Der Wettbewerb war der eigentliche Beginn meines Berufs. Daher kann ein Wettbewerb aus meiner Sicht wichtig und sehr gut für den Anfang der Karriere sein.

Du bist super mit zweiten und dritten Plätzen umgegangen, dein Lehrer und deine Eltern vermutlich auch?

Ja, ich denke, das war für alle anderen kein Problem, für mich war es schon hart. Es gibt immer auch Auseinandersetzungen innerhalb einzelner Jurys. Ich denke hier an Isabelle Faust, sie hat früher, obwohl sie so toll gespielt hat, Wettbewerbe nicht gewonnen. Es war natürlich hart für mich, nicht zu gewinnen – aber es war auch wichtig. Ich denke, wenn ein Aufbau zu gut läuft, stürzt man auch ziemlich leicht ab.

Ich möchte noch ein anderes Thema aufgreifen: Du hast mittlerweile zwei Bachelor- und zwei Masterabschlüsse an der Universität Mozarteum absolviert. Manche haben vielleicht gefragt: Warum macht er sich diese Mühe?

Es war für mich am Anfang sehr wichtig, den Master Violine zu absolvieren, denn heutzutage braucht man zumindest einen Masterabschluss. Die Bratsche hat mich nicht ganz so lange begleitet. Im Alter von 13 oder 14 habe ich angefangen, Bratsche zu spielen. Es ist immer eine Inspiration für mich, dieses Instrument zu hören und es zu spielen. In diesem Sinn wollte ich das Studium unbedingt abschließen, sozusagen als einen Meilenstein für mich selbst – auch wenn ich auf der Bratsche weniger konzertiere als auf der Geige. Es spricht nichts dagegen, dass man noch ein Diplom auf der Bratsche macht, für mich ist das auch eine schöne Erinnerung.

Das heißt, ein Studium ist für dich eigentlich erst „abgeschlossen“, wenn auch ein Diplom erworben worden ist?

Ich bin ein Mensch, der Dinge auch gerne zu Ende bringt. Natürlich gab es Zeiten, zu denen ich dachte: Ach, das ist mühsam. Noch zwei Hausarbeiten oder eine Schlussarbeit zu schreiben, das kostet natürlich Zeit und Energie; aber – ich lern

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