Demokratie - Materialisierung in und durch Musik
Mit „Demokratie“ verbinden sich zahlreiche Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit oder Humanismus, die stets neu verhandelt werden müssen. Sie versteht sich als Herrschafts-, Gesellschafts- und Lebensform und differenziert sich entsprechend zeitlich, kulturell und staatlich spezifisch aus. Demokratie kann durch musikalische Darbietungen symbolisch eingefordert oder konsolidiert werden, denn Musik ist eine mögliche Praxis, den Aushandlungsprozess, was unter „Demokratie“ verstanden wird, zu gestalten, zu begleiten oder zu kommentieren.
17.-19.10.2024
Eröffnung:
17.10.2024, 18:00 Uhr im Solitär
Mirabellplatz 1, 5020 Salzburg
Arbeitsschwerpunkt „Musik und Macht“ in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Musikwissenschaft
Demokratie – Materialisierung in und durch Musik
Democracy – Materialization in and through Music
Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Musikwissenschaft 2024
In Kooperation mit dem Arbeitsschwerpunkt „Musik und Macht“ (AMUM) am Department für Musikwissenschaft
Konzeption & Organisation: Yvonne Wasserloos, Sarah Haslinger und Pavle Krstic
Online-Teilnahme über Zoom / Join Zoom Meeting:
https://moz-ac-at.zoom.us/j/65904177869?pwd=UwgobYPB9cpFGDjqF32g1iG2SfCqPx.1
Meeting ID: 659 0417 7869
Passcode: 251013
Laut des international als Referenz geltenden, jährlich von der Universität Gothenburg (Schweden) herausgegebenen „Democracy Report“ (https://v-dem.net/publications/democracy-reports/) sind in den letzten Jahren die Zahlen der demokratisch regierten Staaten weltweit kontinuierlich gesunken. Für das Jahr 2022 galt die Feststellung: “The level of democracy for the average global citizen by 2022 is back to 1986.” (Democracy Report 2023 “Defiance in the Face of Autocratization”). Österreich wurde 2022 von der höchsten Kategorie demokratischer Staatlichkeit, „Liberale Demokratien“ („Liberal Democracies“), aufgrund von Prozessen zwischen 2012–2022 in die darunterliegende Kategorie „Wahlrechtliche Demokratien“ („Electoral Democracies“) heruntergestuft (Democracy Report 2023, S. 39). Für 2023 wurde der weltweite Abwärtstrend für die Demokratie erneut konstatiert: „But 71% of the world’s population – 5.7 billion people – live in autocracies – an increase from 48% ten years ago. […] Almost all components of democracy [Freedom of expression, Elections] are getting worse in more countries than they are getting better, compared to ten years ago.” (Democracy Report 2024 “Democracy Winning and Losing at the Ballot").
In der klar zu konstatierenden Fragilität demokratischer Systeme ist es notwendig, sich mit der Reflexion durch die Künste, respektive der Musik, als Seismograph für gesellschaftliche und politische Entwicklungen zu beschäftigen. Musik bietet eine Folie für analytische und vergleichende Perspektiven auf verschiedene Konzepte von Demokratie. Zu denken ist an Emanzipationsprozesse sozialer oder ethnischer Gruppen, die sich in und durch Musik politisch artikulier(t)en und für die Demokratie eintraten oder -treten, sowie an Protest über und durch Musik als individuelle wie gruppendynamische Artikulationsform mit Öffentlichkeits- und Multiplikationseffekten. So kann sich demokratischer Protest qua Musik und codierte Botschaften in Liedtexten artikulieren, etwa in Form der Musik der „Friedlichen Revolution“ in der DDR 1989, als wichtiger Teil der „Singing Revolution“ im Baltikum 1988 bis 1991 oder kürzlich in der Protestmusik im Iran.
Grundsätzlich stellt sich die Frage, inwiefern Musik insbesondere in ihren eigenen, werkimmanenten Strukturen überhaupt ein Raum von Demokratie sein kann und soll. Ist im Verhältnis der Stimmen zueinander, im Konzept von Dux und Comes oder anderen kompositorischen Prinzipien die Idee der absolutistischen Macht eingeschrieben? Und zeigen sich dann bereits seit dem 18. Jahrhundert Erosionen dieser Alleinherrschaft etwa in instabiler Tonalität oder Stimmenunabhängigkeit? Spätestens zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist darüber hinaus eine Pluralisierung in den Bereichen der Produktion, Distribution und Rezeption von Musik zu bemerken. (Neue) Infrastrukturen und Technologien trugen v.a. in der Popularmusik zu demokratischeren Verbreitungsmöglichkeiten bei. Gleichwohl bedeuten diese Verarbeitungsmöglichkeiten bspw. durch das ,Recycling‘ im Sampling und Cover die Verbreitung individueller politischer Haltung. So können durch Intermedialität politische Haltungen kommuniziert werden, z.B. durch Framing und Reframing. Auch die Rolle des Publikums verändert sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Durch die verstärkte Ausformung partizipativer Rezeptions- und Reaktionsformen (Skandale im Konzertsaal, Kommentierungen und Klickzahlen in Social Media) sind Rezipierende zu einem einflussreichen Gegengewicht herangewachsen und sich dieser Macht durchaus bewusst.
Programm
(Öffnet in neuem Tab)Donnerstag, 17.10.2024,
Kleines Studio
13:45 Uhr: Begrüßung
Session 1: Einführende Perspektiven
Chair: Yvonne Wasserloos
14:00-14:30 Uhr: Wolfgang Marx (University College Dublin): Democracy, Polarisation and Musicology
14:30-15:00 Uhr: Markus Pausch (FH Salzburg): Das politische Lied zwischen Revolte und Begleitmusik: Versuch einer demokratietheoretischen Kategorisierung
15:00-15:30 Uhr: Inka-Maria Nyman (Åbo Akademi University Turku): Democratizing opera
15:30-16:00 Uhr: Christopher A. Williams (Kunstuniversität Graz): Searching for democracy in experimental improvised music
18:00 Uhr: Festliche Tagungseröffnung im Solitär
Begrüßung: Rektorin Elisabeth Gutjahr, Melanie Unseld (Universität für Musik und darstellende Kunst Wien), Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Musikwissenschaft,Yvonne Wasserloos, Sarah Haslinger und Pavle Krstic, Organisations-Team Universität Mozarteum Salzburg
Keynote (im Anschluss: kurze Diskussion): Esteban Buch (Centre de recherches sur les arts et le langage (CRAL) / L'École des hautes études en sciences sociales (EHESS), Paris): Democracy is coming? On Sounds, People, and Power
Im Gespräch: Sarah Nemtsov und Yvonne Wasserloos über demokratische Strukturen in der Musik
Andrea de Vitis: Einführung zu In C von Terry Riley
19:30 Uhr: Terry Riley (* 1935), In C (1964)
Aufführung und Erleben des Werks in partizipativer Atmosphäre
Ausführende: Studierende der Universität Mozarteum sämtlicher musikalischer Departments
Einstudierung: Andrea de Vitis
Freitag, 18.10.2024,
Kleines Studio
Session 2: Musikimmanente Demokratie
Chair: Carolin Stahrenberg
9:30-10:15 Uhr: Ioannis Andronoglou (University of Western Macedonia): Mikis Theodorakis' musical work Axion Esti as a timeless declaration of Democracy
10:15-10:45 Uhr: Christine Fischer (Universität Wien): Amy Beach´s Gaelic Symphony (1896) zwischen „Postkolonialismus“ und „White Supremacy“
- - - Kaffeepause I Coffee break - - -
Session 3: Funktionen der Musik I
Chair: Thomas Hochradner
11:15-12:00 Uhr: Robert Adlington (Royal College of Music London): Musical materialisations of democracy for the post-truth era
12:00-12:30 Uhr: Elsa Calero-Carramolino (Autonomous University of Barcelona): The Argentinian suburbs in Spanish women's prisons: tango-songs in the expression of mourning in captivity (1939-1975)
12:30-13:00 Uhr: Marián Štúň (Slovak Academy of Sciences, Bratislava): Normalization after the invasion of Soviet troops to Czechoslovakia in 1968 as an impulse of musical reaction
- - - Mittagspause I Lunch break - - -
14:00 Uhr: Vorträge und Posterpräsentationen der Jungen Musikwissenschaft
18:00 Uhr: Generalversammlung der Österreichischen Gesellschaft für Musikwissenschaft
Samstag, 19.10.2024,
Kleines Studio
Session 4: Funktionen der Musik II (Kleines Studio)
Chair: Julio Mendívil
9:00-9:30 Uhr: Elias Berner (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien): Musik und sekundärer Antisemitismus im österreichischen Radio der Nachkriegszeit
9:30-10:00 Uhr: Thomas Hochradner (Universität Mozarteum Salzburg): Festspielschutz? Zur Demokratisierung des Salzburger Musiklebens
10:00-10:30 Uhr: Mark Seow (Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien): Opera as Protest in Paris 2023
- - - Kaffeepause I Coffee break - - -
Session 5: Medien und Vermittlungsformate (Kleines Studio)
Chair: Elisabeth Reisinger
11:00-11:30 Uhr: Anja Brunner (Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien): Mehr Demokratie in Institutionen europäischer Kunstmusik? Beobachtungen zur Konzertreihe „Wiener Stimmen“ im Wiener Musikverein
11:30-12:00 Uhr: Marie-Anne Kohl (Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien): Musikcastingshows als Democratainment
12:00-12:30 Uhr: Daniel Ender (Universität Wien): „Demokratisches“ Musizieren? Der utopische Freiheitsbegriff und seine konzeptuell-ästhetische Umsetzung in einigen Werken von Georg Friedrich Haas
12:30-13:30 Uhr: Round Table und abschließende Diskussion; Ende der Konferenz