Erweiterte Realitäten, erweiterte Möglichkeiten

11.10.2024
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Mit der Bewilligung einer Forschungsförderung in Höhe von 2,5 Millionen Euro durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) wird die Grundlage für die Entwicklung eines hochmodernen X-Reality-Labs geschaffen – digitales Herzstück des neuen Standorts der Universität Mozarteum am Kurgarten. 

X-Reality steht für Extended Reality (auch XR, engl. für Erweiterte Realität) und bezeichnet Technologien, die die physische mit der digitalen Welt verbinden, darunter Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) und Mixed Reality (MR). In Bereichen wie der Gaming-Industrie ist XR längst Realität – in der klassischen Musik und Kunst jedoch steht sie immer noch am Anfang, wenngleich das Interesse auch hier zunehmend wächst. Ob virtuelle und immersive Konzerte, Orchester, Proben und Klangwelten, interaktive Kunst oder transmediale Szenografie: Das Potenzial von XR in Musik und Kunst ist enorm. Ein bahnbrechender Meilenstein in Sachen XR an Kunstuniversitäten wurde durch die Bewilligung eines Antrags der Universität Mozarteum zur Förderung von künstlerischer Forschungsinfrastruktur mit Fokus auf XR gelegt. „Dass wir als Kunstuniversität im Wettbewerb mit naturwissenschaftlichen Forschungsinfrastrukturprojekten wie zum Beispiel spezialisierte Elektronenrastermikroskopen oder biochemischen Analyselaboren mithalten konnten, ist sehr außergewöhnlich. Es ist das erste Mal, dass eine derart hohe Summe für eine künstlerische Forschungsinfrastruktur in diesem FFG-Call, der durch EFRE-Mittel kofinanziert wird, bewilligt wurde. Was wir beantragt haben – und das war unique – ist eine Infrastruktur, bei der es eben ganz explizit um künstlerische Forschung geht“, freut sich Christopher Lindinger, Universitätsprofessor für Kunst und Digitalität an der Universität Mozarteum und Projektleiter des X-Reality-Labs. 

In Österreich gibt es zwei wesentliche Bundesagenturen, die Forschungsförderungen vergeben: Der Wissenschaftsfonds (FWF) fördert Grundlagenforschung, während sich die FFG auf anwendungsorientierte Projekte konzentriert. Die Bewilligung des Antrags durch die FFG markiert nicht nur einen Drittmittelrekord für die Universität Mozarteum, sondern ganz generell für Kunstuniversitäten. Es ist das größte Volumen, dass die FFG bisher in einem Peer-Review-Verfahren an eine österreichische Kunstuniversität singulär ausgeschüttet hat. Diese Infrastruktur wird profilbildend und ist eine logische Erweiterung des bestehenden Repertoires der Universität in den performativen Künsten hinein in die digitale Welt. Die Förderung ermöglicht damit nicht nur eine signifikante Erweiterung der technischen Möglichkeiten, sondern auch eine zukunftsgewandte strategische Weiterentwicklung. Die Infrastruktur des neuen X-Reality-Labs am Kurgarten wird Studierenden, Lehrenden, Künstler:innen und Forschenden ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Die erste und wichtigste Investition wird die Entwicklung einer Open-Source-Software sein. Sie wird der entscheidende Türöffner, um immersive Inhalte erstellen und dann auch präsentieren zu können. „Wir wollen zunächst eine Software entwickeln, damit Nutzer:innen diese Infrastrukturen überhaupt erst bedienen, Content erstellen und ihn dann auch außerhalb der Universität zeigen können. Denn das Problem bei Infrastrukturen, bei denen es um Stereoskopie, 3D-Szenen oder räumliche Akustik geht, ist, dass die Softwarepakete teuer sind und für Künstler:innen oft nicht in Relation stehen. Deshalb ist eines unserer drängendsten Anliegen, diesen ‚Rahmen‘ kostenfrei und Open Source zur Verfügung zu stellen, sodass die Technologie auch ‚hinausgetragen‘ wird und weltweit stattfinden kann. Wir wollen damit einen Beitrag zur Verbreitung immersiver Kunst – vor allem mit Blick auf performative Sparten – leisten und planen auch ein neues Studium, in dem der Raum ein Nukleus sein wird“, erläutert Lindinger. 

Mit der bewilligten Förderung werden auch konkrete Anschaffungen für das X-Reality-Lab realisiert. Neben der Open-Source-Software und stereoskopischen Projektoren wird ein innovatives Tracking-System installiert, das die Position von Personen und Objekten im Raum erfasst. So wird es etwa möglich, die exakte Position von Tänzer:innen, Musikinstrumenten oder Robotern zu bestimmen und dadurch eine neue Sphäre der künstlerischen Arbeit zu eröffnen. Weiters wird an der technischen Ausstattung des Labs gearbeitet, etwa mit speziellen Brillen und dem Bewegen in einer dreidimensionalen Umgebung oder mittels immersiver Akustik durch eine innovative Lautsprechermatrix, die eine räumliche Klangwahrnehmung ermöglicht. Dieses Equipment schafft die Grundlage für neue Formen performativer Kunst, die in einem virtuellen Raum stattfinden, der die physikalischen Grenzen traditioneller Bühnen aufhebt, zum Beispiel im Bereich der transmedialen Szenografie: „Es wird eine neue Raumforschung sein. Es wird darum gehen, wie man im Hinblick auf Bühnenbild mit Raum umgeht. Der virtuelle Raum hat keine physikalischen Eigenschaften, es gibt kein Oben, Unten, Rechts, Links, keine Schwerkraft. Die einzige Konstante im virtuellen Raum ist die Wahrnehmung der Nutzer:innen. Das ist einer der spannendsten Aspekte, der auch den Studierenden vermittelt werden sollte, wenn sie über digitales Bühnenbild nachdenken“, so Lindinger. Dabei spielt auch künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle, z.B. in der Generierung der 3D-Modelle, der virtuellen Umgebung und in der Narration. 

National wie international zieht das künftige Salzburger X-Reality-Lab große Aufmerksamkeit auf sich. Vom Royal College of Music in London (UK) bis zur NASA in Greenbelt (USA) haben bereits mehr als 20 Kunst- und Forschungsinstitutionen ihr Interesse an der Zusammenarbeit mit Lindinger und seinem Team bekundet. Diese Aussichten eröffnen der Universität Mozarteum die Möglichkeit, sich auf der internationalen Landkarte jener Universitäten zu positionieren, die an der Spitze der digitalen Kunstforschung stehen. Lindinger betont, dass es weltweit nur eine Handvoll Institutionen gibt, die über ähnliche oder vergleichbare Infrastrukturen verfügen. „Das Spannende ist definitiv die immersive Kunst, hier können wir einen Beitrag leisten. Hier gibt beispielsweise konkrete Gespräche mit der renommierten Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), etwa um in Zukunft ein gemeinsames Doktoratsstudium im Bereich der immersiven Kunst anzubieten.“ Die Eröffnung des X-Reality-Labs ist gemeinsam mit der Hauseröffnung für Ende 2025 geplant. Eine besondere Herausforderung bei der Planung und Umsetzung des Labors ist, dass viele der benötigten Komponenten individuell angepasst und entwickelt werden müssen. „Was wir vorhaben, ist so innovativ, dass es in dieser Form bisher noch nie verwirklicht wurde. Wir können daher nicht einfach Geräte von der Stange einkaufen, sondern natürlich vieles von Grund auf neu entwickeln und exakt an unsere Bedürfnisse anpassen“, erklärt Lindinger. Dabei spielt auch die Lieferzeit von bestimmten Komponenten wie Grafikkarten und Chips eine Rolle, die aufgrund des aktuellen KI-Hypes mitunter bis zu einem Jahr betragen kann. Trotzdem blickt Lindinger optimistisch in die Zukunft: „Aus einer Tüftler-Perspektive freue ich mich zuerst einmal darauf, diesen hochtechnologischen Raum physisch zu bauen. Aber dann geht es natürlich darum, ihn bestmöglich zu nutzen! Wir möchten auch Artists-in-Residence und namhafte Künstler:innen einladen, um gemeinsam mit dem Mozarteum in ganz neue Richtungen zu denken und das Potenzial des X-Reality-Labs für die Kunst zu heben. Das wird spannend!

Mit der Bewilligung der Förderung durch die FFG und der bevorstehenden Eröffnung des X-Reality-Labs steht die Universität Mozarteum vor einer spannenden neuen Ära. Die Verbindung von Kunst und Technologie wird nicht nur die Forschung und Lehre bereichern, sondern auch neue Impulse für die künstlerische Praxis setzen. Somit stehen alle Türen offen, für profilbildende künstlerische Forschung, für digitale Kunst und eine neue, spannende Erkundung des Konzepts „Raum“.

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