Hanna Binder ist Schauspielerin, Performance-Künstlerin und Musikerin, die auf der Bühne und im Film zuhause ist. Seit 1. September bringt sie ihre Leidenschaft für Körperarbeit und authentische Bühnenpräsenz als Universitätsprofessorin am Mozarteum in Salzburg ein. Mit vielseitiger Erfahrung aus Theater, Film und Tanz widmet sich Binder nun der Förderung junger Talente, immer mit einem Fokus auf die körperliche Ausdruckskraft und die Menschlichkeit, die das Theater so besonders macht.
„Wir setzen auf künstlerisches und geistiges Kapital“
Das Institut für Open Arts der Universität Mozarteum hat kürzlich Räumlichkeiten in Franz-Josef-Straße 18 bezogen, die einst von der Österreichischen Nationalbank bewohnt wurden. Ein Gespräch mit Univ.-Prof.in Claudia Lehmann, die das Institut seit 2023 leitet.
Seit 1. März 2023 leitest du das im Aufbau befindliche Institut für Open Arts der Universität Mozarteum – ein inter-, trans- und nondisziplinärer Workspace, der offene Strukturen für künstlerische Forschung in Theorie und Praxis bietet. Was hat sich seither getan?
So ein Aufbau ist ja ein dynamischer Prozess. Man plant ein neues Gebäude mit vielen Zimmern. Ein lebenswertes Haus wird es aber erst, wenn Leute einziehen, miteinander in Beziehung treten, es also beleben. Bisher sind wir in der Planungsphase, der Rohbau steht. Wenn wir über inter-, trans-, cross- und nondisziplinäres Arbeiten sprechen, ist schon klar, dass es an diesem Ort vor allem darum geht, sich in einen Austausch zu begeben. Dieser Austausch hat auf vielen Ebenen stattgefunden und findet noch statt. Aus unterschiedlichen Bereichen der Universität gibt es viele, die sich einbringen. Dazu kommt, dass seit der sogenannten Gründung, also der Grundsteinlegung, manches an das Institut angebunden wurde, was dann auch wieder die Entwicklungen beeinflusst. Es zogen bereits das Künstlerische Doktorat (PHD in the Arts) mit den Professuren und den ersten beiden Jahrgängen sowie das Data-Arts-Forum mit der ersten von zwei Professuren bei uns ein. Momentan ist unser unmittelbares „Personal“ noch überschaubar, es wird aber im Laufe der nächsten Monate weiter wachsen. Wir erwarten sowohl weitere Mitarbeiter:innen als auch Studierende. Außerdem planen wir neue Studienangebote.
Im September bekamen wir durch den großen Einsatz von Rektorin Elisabeth Gutjahr in der Franz-Josef-Straße 18 auch einen realen Ort, der einst eine Zweigstelle der Österreichischen Nationalbank war und für uns erst einmal erschlossen werden musste. Über die Anschaffung spezieller Technik, die räumliche Ausstattung bis hin zum Toilettenpapier müssen die Räumlichkeiten ja für unterschiedliche Veranstaltungen vorbereitet werden. Dennoch haben wir immer mal Besuch von Menschen, die ihr Erspartes einzahlen oder abheben wollen, während bei uns ein Workshop zur Komposition mit KI, ein Hearing, Präsentationen oder ganz normaler Unterricht stattfindet. Wir hoffen, dass dieser Ort bald nicht mehr mit dem Geldinstitut verbunden wird. Wir setzen auf künstlerisches und geistiges Kapital!
Mit über 50 Bewerber*innen 2024 hat der PhD in the Arts, der an der Universität Mozarteum seit dem Wintersemester 2022/23 angeboten wird, hohen Zulauf. Wird Salzburg ein Zentrum für künstlerische Forschung?
Das wäre sehr wünschenswert und ich hoffe, dass Salzburg in erster Linie ein Zentrum für die Auseinandersetzung mit den großen globalen und gesellschaftlichen Herausforderungen wird und wie wir ihnen mit künstlerischen Mitteln begegnen können. Dafür braucht es Forschung! Diese Forschung ist nicht nur auf das Künstlerische Doktorat beschränkt. Gerade sind wir dabei, eine Studienergänzung „Artistic Research“ zu etablieren. Auch der Master Open Arts macht sich zur Aufgabe, die Künste neu zu erschließen und innovative Ansätze zu verfolgen, zu erforschen und zu realisieren, die im Zuge eines gesellschaftlichen Wandels notwendig sind. Eine Positionierung zu den sozialen, technologischen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit ist allen, die gerade an der Entwicklung des Instituts und des Master Open Arts mitarbeiten, besonders wichtig. Es sollen mit und durch die Kunst neue Zugänge und Erkenntnisse ermöglicht werden, die in ihrer Ausrichtung vielschichtig, plural, multiperspektivisch und nachhaltig sind. Wir wollen „raus aus der Bubble“!
Das Curriculum für Open Arts ist aktuell in Ausarbeitung – ab Wintersemester 2025 wird ein Masterstudium an der Universität Mozarteum angeboten. Kannst du uns, quasi exklusiv, schon jetzt einige Einblicke geben, wie das Studium aufgebaut sein wird und was wir erwarten dürfen?
Unser Angebot richtet sich vorerst an Menschen, die bereits einen Abschluss mitbringen und bestenfalls Praxis- und oder Berufserfahrung haben. Was das Curriculum betrifft, so muss dafür zunächst eine Kommission aus Lehrenden und Studierenden aus mehreren Departments eingesetzt werden. Im Mittelpunkt des Masters soll auf jeden Fall das künstlerische Projekt stehen, um das herum man möglichst frei Angebote wählen kann, die für das Projekt bestenfalls relevant sind. Den Studierenden soll ein über die Disziplinen hinweg frei gestaltbares Studium ermöglicht werden. Die Idee des Mentorings und die der Betreuung – auch von Semesterarbeiten – durch mehrere Lehrende übergreifend, inner- sowie außeruniversitär ist ebenso zentral wie ein disziplinen- und jahrgangsübergreifender Raum, der dem Dialog und dem „offenen“ Austausch gewidmet ist, und auch zur Reflexion und zur Positionierung der künstlerischen Arbeit dient. Dieser Raum soll von den Studierenden federführend organisiert und geprägt sein. So etwas wie eine „WG-Küche im Open Arts Haus“, wo man bis spät in die Nacht diskutiert. Kunst ist politisch!
Im Wintersemester 2025 öffnet auch der neue Standort der Universität Mozarteum am Kurgarten seine Pforten und in weiterer Folge ein darin befindliches österreichweit einzigartiges X-Reality-Lab. Gibt es bereits Ideen für Projekte, die dort umgesetzt werden?
Mit dem X-Reality-Lab wird ein einzigartiges Forschungs-, Lehr- und Experimentierlabor entstehen, in dem digitale Räume und digitales Erzählen erforscht werden sollen. Die Infrastruktur des X-Reality-Labs spielt dabei eine zentrale Rolle, um dieses Vorhaben erfolgreich umzusetzen. Natürlich planen wir zahlreiche Kooperationen, unter anderem mit dem Immersive Arts Space der ZHdK sowie mit dem Ars Electronica Futurelab und vielen weiteren Akteur:innen aus dem Kunstbereich – national und international. Aber in erster Linie wollen wir dort mit Studierenden die Möglichkeiten unserer sozialen Verhandlungsorte ausloten. Deswegen konzipieren wir gerade einen weiteren übergreifenden Master. Die Reflexion der künstlerischen Arbeiten und die Auswirkungen auf uns, unser Sein und unser Sein-Wollen in der Welt – real und virtuell – wird auch hier wieder im Zentrum stehen. Wir wollen die Zukunft mitgestalten!
(Ersterschienen in den Uni-Nachrichten / Salzburger Nachrichten am 8. Juni 2024)