„Ein Gespräch, das kein Ende kennt“

10.06.2024
Interview

Der Schriftsteller, Literatur- und Kulturwissenschaftler sowie Universitätslektor Thomas Ballhausen leitet seit Oktober 2023 die Interuniversitäre Einrichtung Wissenschaft & Kunst. Ein Gespräch über die neue Aufgabe an der „Schnittstelle“.

Du bist seit Oktober 2023 neuer Leiter der Interuniversitären Einrichtung Wissenschaft & Kunst, einem Kooperationsschwerpunkt der Universität Mozarteum und Paris Lodron Universität Salzburg – wie war der „Neubeginn“ für dich in einer Einrichtung, die nicht zuletzt personell der „Schnittpunkt“ zweier Universitäten ist?

Das war tatsächlich eine große, aber sehr erfreuliche Umstellung für mich. Die Leitung von Wissenschaft & Kunst (W&K) erlebe ich als organische Erweiterung meiner sonstigen akademischen und künstlerischen Tätigkeiten, denen ich ja weiter nachgehe. Ich durfte zudem mehrere Monate vor dem Beginn meiner Leitungsfunktion als Stellvertreter meiner Vorgängerin Elisabeth Klaus diese immens spannende Einrichtung, ein höchst kompetentes, engagiertes Team und alle mit W&K verbundenen Aufgaben kennenlernen. Das war geradezu ideal und hat mir den Start deutlich erleichtert. Die Leitungsfunktion empfinde ich als große Verantwortung und für mich war immer klar, dass ich das nur mit der breiten Unterstützung des dort aktiven Teams übernehmen werde. Ich möchte dem in mich gesetzten Vertrauen gerecht werden, nicht zuletzt, weil die vielen wichtigen Aufgaben dort nur in einem guten Miteinander bewältigt werden können. Für mich bedeutet diese Umstellung deshalb auch, mich verstärkt auf das Schaffen von möglichst guten Rahmungen, auf die Ausgestaltung von Gelingensbedingungen zu konzentrieren. Das Arbeiten an der Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst war mir in meiner bisherigen Karriere immer schon ein Anliegen, nun kann ich noch stärker und hoffentlich auch sichtbarer dafür eintreten.

Du hast die Agenden von der Soziologin und Kommunikationswissenschafterin Elisabeth Klaus übernommen, kommst u.a. aus der Literatur- und Filmwissenschaft – wie wird dein Hintergrund Einfluss auf W&K haben?

Meine Hintergründe und Forschungsinteressen werden, wie das bei Elisabeth Klaus ja auch der Fall war, bestimmt eine Rolle spielen – wenngleich eine eher untergeordnete. Als Leitung möchte und muss ich ja alle Bereiche von W&K gleichermaßen im Blick haben und gut auf alle Bedürfnisse innerhalb der Einrichtung achten. Und in den drei distinkten Programmbereichen und dem eben neu aufgestellten, ebenfalls klar interdisziplinären Doktoratskolleg, die unbedingt weiterhin möglichst autonom arbeiten sollen, finde ich erfreulich viele Themen, die mit meinen Fragestellungen und Anliegen korrespondieren. Ich werde meine Rolle als Leiter also auch thematisch aktiv anlegen können, weiß aber auch um die Notwendigkeit und den Wert eines Managers, der seinem Team sprichwörtlich den Rücken freihält und mit starkem Bewusstsein für die oft als unliebsam empfundene, aber dringend notwendige Strukturarbeit agiert. Ich empfinde das als ganz zentrale und nicht zuletzt auch bereichernde Aspekte, die für mich auch nicht im Widerspruch zueinanderstehen. Ich sehe hier Möglichkeiten der Gestaltung und Weiterentwicklung einer in ihrer thematischen wie auch methodischen Vielfalt einzigartigen Einrichtung, die auf einem gemeinsamen, ehrlichen Ausverhandlungsprozess basieren. Somit ein Gespräch, das kein Ende kennt und auch gerade deshalb Ergebnisse zeitigt.

Du unterrichtest an der Universität Mozarteum am Department Szenografie, bist Schriftsteller, hast gemeinsam mit Elisabeth Klaus im November vergangenen Jahres den Internationalen Hauptpreis für Wissenschaft & Forschung der Stadt Salzburg erhalten, bist Herausgeber, Literaturwissenschafter und Kulturphilosoph – vor diesem Hintergrund wirkt W&K wie geschaffen für dich.

Innerhalb der sehr unterschiedlichen Aktivitäten bei W&K ermöglichen wir konstruktive Begegnungen zwischen Disziplinen, Ansätzen und vor allem auch Menschen, die ihr Fachwissen einbringen, damit wir den sich aus diesen Verbindungen ergebenden Fragen nachspüren können – im Rahmen einer akademischen Interdisziplinarität, aber, was mir persönlich auch sehr wichtig ist, auch mit einem Wirken hin auf gesamtgesellschaftliche Kontexte. Wir haben die wunderbare Möglichkeit, Fragen unserer an Herausforderungen wirklich nicht armen Gegenwart zu stellen, zu kontextualisieren und in interdisziplinäre Zusammenhänge zu bringen. Mit W&K haben wir etwas anzubieten, nicht zuletzt eine breite Palette an Veranstaltungsformaten, Studienergänzungen, ein interdisziplinäres Doktorats-Programm oder eben die generelle Teilhabe an unterschiedlichsten Diskursen. Ich bin, auch wegen meiner künstlerischen und wissenschaftlichen Hintergründe, von der Notwendigkeit und Richtigkeit einer agonalen Diskursteilhabe, einem Wettbewerb der Ideen, überzeugt. In diesem Sinne sehe ich auch den verliehenen Preis, das ist ganz klar eine Auszeichnung für das gesamte Team und die wichtige Arbeit ist, die hier gleistet wird. Ich empfinde diesen Preis, neben der Würdigung von Elisabeth Klaus und unserer Zusammenarbeit, aber auch als Auftrag den Weg von W&K fortzusetzen und Neuerungen anzustoßen. So können mit dem Preisgeld nachhaltige Entwicklungen für W&K finanziert werden, etwa Projekte in den Bereichen Diversität, Artistic Research oder die Unterstützung bei der Entwicklung von Einreichungen.

„Kulturen im Wandel“ ist das Leitthema von W&K 2024 bis 2028, welche Ansprüche, Vorhaben oder Ideen verbergen sich hinter diesem Thema? Welche Wünsche hast du für die Zukunft von W&K?

Im Oktober starten wir in die neue Programmbereichsperiode und ich finde den Titel sehr passend gewählt. Wir werden gemäß diesem Motto einerseits den Kurs aus gelebter Methodenvielfalt, kritischem Diskurs und aktiver, mitunter auch widerständiger Auseinandersetzung mit aktuellen Herausforderungen fortsetzen. Andererseits werden wir uns als Einrichtung nochmals weiterentwickeln und wandeln, eben weil die Programmbereiche sich nach selbstgegebenen Regeln für neue Formen der Kooperation, Formate der Wissensproduktion und auch -vermittlung öffnen. W&K kann zu einem gesamtgesellschaftlichen Wirken, insbesondere auch in Salzburg, beitragen, ohne dass man sich dabei einfach dienstbar macht. Auch das ist eine Wirklichkeit von globaler Perspektive und lokaler Aktivität. Ich verstehe mich dabei als Brückenbauer und deshalb wünsche ich mir, dass wir auch in einer von Radikalisierung und Exklusion geprägten Gegenwart weiterhin Räume der Begegnung, der Erschließung neuen Wissens und vor allem des Dialogs gestalten können. Kunst und Wissenschaft sind für mich kein Luxus, sie sind vielmehr unverzichtbare Lebensnotwendigkeiten echter Demokratie. Dafür möchte ich arbeiten und einstehen – also auch für ein im besten Sinne vielfältiges, gegenwärtiges Arbeiten an der Nahstelle zwischen Bewusstsein für Tradition und einer zukunftsgewandten Ausrichtung. Mir ist bei all diesen Ansprüchen aber auch bewusst, dass das Unbedingte niemals das Bedingungslose sein wird. Dahingehend halte ich es deshalb mit Humor, Demut und Ambiguitätstoleranz.

 

(Ersterschienen in den Uni-Nachrichten / Salzburger Nachrichten am 8. Juni 2024)

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