Hanna Binder ist Schauspielerin, Performance-Künstlerin und Musikerin, die auf der Bühne und im Film zuhause ist. Seit 1. September bringt sie ihre Leidenschaft für Körperarbeit und authentische Bühnenpräsenz als Universitätsprofessorin am Mozarteum in Salzburg ein. Mit vielseitiger Erfahrung aus Theater, Film und Tanz widmet sich Binder nun der Förderung junger Talente, immer mit einem Fokus auf die körperliche Ausdruckskraft und die Menschlichkeit, die das Theater so besonders macht.
Nachhaltige Verantwortung
Als Vordenkerinnen gesellschaftlicher Entwicklung sind Universitäten besonders gefordert, ihrer Vorreiterinnenrolle im Hinblick auf Nachhaltige Entwicklung gerecht zu werden. Ein Gespräch mit Maria Kalleitner-Huber, Leiterin der Abteilung für Nachhaltigkeit an der Universität Mozarteum, über Potenziale und Herausforderungen an einer (Kunst-)Universität.
Bild: „Plant Cube“ (2023), Gewächshaus der Bildhauereiklasse - Department Bildende Künst und Gestaltung
Welcher Weg führte dich zur Nachhaltigkeit?
Mein persönlicher Weg zu Nachhaltigkeit hat mit der Studienwahl begonnen – die Entscheidung fiel auf ein individuelles Diplomstudium im Bereich Umweltconsulting mit Spezialisierung auf Umweltmanagement, Abfallwirtschaft und Entsorgungstechnik. Besonders geprägt hat mich dabei das Lebenszyklusdenken im Hinblick auf Produkte und Dienstleistungen. Den Planungs- und Designschritten kommen dabei eine zentrale Bedeutung zu und die Verantwortung reicht weit über das eigene Unternehmen hinaus: Unter welchen Bedingungen wird ein Produkt hergestellt? Ist es praktikabel oder wird es rasch zu Abfall? Viele Aspekte daraus lassen sich auf einen Universitätsbetrieb übertragen. Bei Nachhaltigkeit geht es um die gesellschaftliche Verantwortung unseres Tuns. Ziel ist es, möglichst wenig Negatives und möglichst viel Positives zu hinterlassen.
Was bedeutet Nachhaltigkeit an einer Kunstuniversität?
Die Implementierung einer nachhaltigen Entwicklung erfordert eine Transformation nach innen und außen, was einen enormen Kraftakt darstellt und das Hinterfragen etablierter Strukturen bzw. Abläufe voraussetzt. Das beginnt beim Ressourcenverbrauch und reicht hinein in Entscheidungs- und Informationsprozesse. Konkreter: Künstlerische Tätigkeiten in der bildenden und darstellenden Kunst erfordern eine gewisse Materialität und experimentelle Annäherungen an ein Thema. Hier gilt es abzuwägen, was es an Ressourcen braucht, um Wirkungen oder Lerneffekte zu erreichen. Und welche Alternativen es gibt. Die starke internationale Ausrichtung der Universität Mozarteum vor allem in der Musik und der kulturelle Austausch sind absolute Notwendigkeiten für Weiterentwicklung des Hauses, der Lehrenden und Studierenden. Dies ist mit einem gewissen Reiseaufkommen verknüpft, das uns vor Herausforderungen hinsichtlich der Reduktion von Treibhausgasemissionen stellt. Der Kunstbereich unterliegt ebenso dem Wachstumsnarrativ „schneller – weiter – höher“ wie andere Wirtschaftsbereiche. Das geht mit negativen Folgen, auch für die Künstler*innen, einher.
Wie eng ist Nachhaltigkeit mit Kunst verbunden? Kann Kunst die (Um-)Welt verändern?
In der Kunst werden seit jeher gesellschaftlich relevante Fragen aufgeworfen und Entwicklungen kritisch betrachtet, die Verbindung ist also sehr eng! Wir sind in verschiedene „Umwelten“ eingebettet, Familie, Kolleg*innen, Freundeskreise, lokale Communities etc. Unser Tun hat direkte lokale oder indirekte, auch globale Auswirkungen. Mit künstlerischen Zugängen kann dieser Zusammenhang für alle unsere Sinne wahrnehmbar und emotional begreifbar gemacht werden. Was uns nicht berührt, betrifft uns vermeintlich nicht. Kunst kann hier Großes bewirken, auch was die Nutzung von kreativen Zugängen zur Entwicklung alternativer Lösungswege anbelangt. Inter- wie Transdisziplinariät sind unabdingbar, um komplexen Herausforderungen wie der Klimakrise oder sozialen Ungerechtigkeiten mit praktikablen Handlungsanweisungen begegnen zu können. Wichtig ist der Kompetenzaufbau und Empowerment unserer Studierenden, in ihrem späteren beruflichen Umfeld Teil der Lösung zu sein.
Welche Maßnahmen für den Klimaschutz sind aus deiner Sicht die wirklich wichtigen, für Individuen oder Institutionen?
Bezogen auf die CO2-Emissionen sind für den Dienstleistungsbetrieb Universität die größten Verursacher die Gebäudebewirtschaftung und das Mobilitätsaufkommen. Einer der größten Hebel ist der Strom- und Energieverbrauch, hier ist es wichtig, Sparpotentiale zu identifizieren, zu nutzen und möglichst rasch auf erneuerbare Energieträger umzusteigen. In der Alltagsmobilität sind die Wahl der Verkehrsmittel, die Distanz und die Häufigkeit der zurückgelegten Wege entscheidend. Wir konnten z. B. mit der Home-Office-Möglichkeit einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung von Verkehrsaufkommen und auch zur Verbesserung der Work-Life-Balance leisten.
Welche Ziele setzt sich die Universität Mozarteum in punkto Nachhaltigkeit, welche Aktivitäten gibt es bereits?
„Verantwortung – Nachhaltigkeit“ ist als eines unserer drei strategischen Gesamtziele im Entwicklungsplan verankert. Übergeordnetes Ziel ist, sämtliche Aktivitäten auf Nachhaltigkeit auszurichten. Bei der Implementierung orientieren wir uns an den Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen, die in allen Dimensionen der Nachhaltigkeit Ziele für eine gerechtere Gesellschaft vorgibt. Studierende wie Lehrende setzen sich bereits aktiv mit der Klimakrise oder sozialen Ungerechtigkeiten auseinander, z. B. mit der Teilnahme an der Sustainability Challenge oder mit dem europäischen Projekt „Open your eyes and tell me what you see“, das die Klimakrise in den Mittelpunkt einer musikalisch-kompositorischen Kooperation stellt. In der Bildenden Kunst gibt es zahlreiche Kooperationsprojekte und thematische Semesterschwerpunkte zur Auseinandersetzung zwischen Kunst & Ökologie, im Schauspiel werden brennende gesellschaftliche Fragen und Entwicklungen verhandelt, beispielsweise Wohnungsnot in Salzburg. Das Coachingprogramm ‚Arts of Change – Change of Arts‘ bietet Studierenden die Möglichkeit, sich inhaltlich und methodisch mit Kunst, Nachhaltigkeit und sozial-ökologischer Transformation auseinanderzusetzen.
Was hast du für deine Abteilung in Zukunft geplant?
Aktuell befindet sich ein interdisziplinär zusammengesetzter Arbeitskreis für Nachhaltigkeit im Aufbau, der einen kontinuierlichen Entwicklung- und Verbesserungsprozess zur Wahrung unserer gesellschaftlichen Verantwortung etablieren soll. Nachhaltige Entwicklung ist ein Prozess, der in alle universitären Bereiche hineinwirkt und in Lehre, Forschung, EEK, Betrieb & Ressourcen, Governance und Third Mission behandelt wird. Bis Ende 2024 wird eine Nachhaltigkeitsstrategie und damit ein Konzept vorliegen, wie Nachhaltige Entwicklung am Haus strukturell implementiert und gelebt werden kann. Im universitären Betrieb ist die Einführung eines Umweltmanagementsystems in Vorbereitung, ein freiwilliges Instrument zur Verbesserung der Umweltleistung, welches bis 2024 etabliert wird. In Kooperation mit dem AKID wird der INDI-Tag, der sich wiederkehrend diskursiv und performativ Fragen der Inklusion und Diversität widmet, mit einer Arts of Change Ausstellung bereichert werden.
Was fehlt dir persönlich an der Auseinandersetzung von (Kunst-)Universitäten und Nachhaltigkeit?
Wir brauchen mehr Freiräume, um uns verstärkt der gesellschaftlichen Relevanz und Impacts unseres Tuns widmen zu können, die künstlerische Qualität sollte dabei aber nicht zu kurz kommen. Universitäten haben zudem eine große Außenwirkung, die sie verstärkt zur Positionierung für eine gerechtere Gesellschaft nutzen sollten.
Was findest du gut an der Auseinandersetzung von (Kunst-)Universitäten und Nachhaltigkeit?
Dass über den Tellerrand geblickt, out of the box gedacht wird. Es werden ständig Dinge angestoßen, die neue Reflexionspunkte bieten.
(Ersterschienen in den Uni-Nachrichten / Salzburger Nachrichten am 10. Juni 2023)