Tierische Nachbarschaft

11.06.2023
News
Karneval der Tiere - Marionettentheater | © Bernhard Müller

Die Produktion einer „animalischen Trilogie“ inklusive Camille Saint-Saëns „Karneval der Tiere“ ist bereits die zweite große Kooperation von Universität Mozarteum und Marionettentheater. An der Violine: Benjamin Schmid.

Die Idee zu dieser Neuproduktion mit drei Klassikern der Literatur und Musik steckte schon lange in den Hinterköpfen des Marionettentheaterteams rund um seinen künstlerischen Leiter Philippe Brunner. Die berühmte „zoologische Fantasie“ Karneval der Tiere des französischen Komponisten Camille Saint-Saëns in einer poetischen Neuinterpretation bildete ihren Ausgang. Erweitert um die beiden Stücke: Die Geschichte von Babar, dem kleinen Elefanten von Jean de Brunhoff und Ferdinand der Stier von Munro Leaf. Die Geschichte von Babar, der in eine Stadt flieht und Gefallen am Leben der Menschen findet, ist in Frankreich sehr bekannt, dennoch wird sie selten auf die Bühne gebracht – ein zusätzlicher Anreiz. Die zwei literarischen Kindergeschichten werden nicht verwoben und doch erzählen beide vom Erwachsenwerden und vom Erfahrungen sammeln. Bei Ferdinand, dem Stier, der den Kämpfen seiner Altersgenossen nichts abgewinnen kann und lieber den Duft der Blumen genießt, kommt die Botschaft hinzu, dass Anderssein okay ist. Die musikalische Umsetzung erfolgt in Kooperation mit Studierenden der Universität Mozarteum unter der Leitung von Andreas Groethuysen und Benjamin Schmid, der auch den Part der Solo-Violine übernimmt. „Jedes Stück ist ein Kunstwerk für sich. Es war einfach schön, diese drei unterschiedlichen Stücke auch musikalisch zu verbinden, die Proben machen sehr viel Spaß“, wie Philippe Brunner berichtet. Und Spaß machen soll es nicht nur Kindern: Es sind Stücke für Erwachsene, Familien und Kinder.

Dem Karneval der Tiere liegt keine Kindergeschichte zugrunde, obwohl Camille Saint-Saëns als humorvoller französischer Komponist galt, der einen ungewöhnlichen und heiteren Stil des Unterrichtens pflegte. Spiel und Ernsthaftigkeit wurden verknüpft und er ließ seine Klassen u.a. Persiflagen einstudieren. Anlässlich eines Faschingskonzerts schrieb er 1886 schließlich den Karneval der Tiere mit einigen scherzhaften musikalischen Elementen, der am 9. März im kleinen Rahmen uraufgeführt wurde. Das bloße Bewerten des Stücks als Parodie oder Karikatur – Saint-Saëns imitierte in seinem Werk nicht nur verschiedene Tierlaute mit Instrumenten, sondern parodierte auch seine Komponistenkollegen – greift allerdings zu kurz. (Vgl. Michael Stegemann, 1986 S. 219ff) „Der Carnaval des animaux ist keine bösartige, sondern eine liebevolle Karikatur“ (Michael Stegemann, 1986 S. 226). Andreas Groethuysen, der als Professor an der Universität Mozarteum die studierenden Klavierduos auf dieses Stück vorbereitet, weiß, dass Studierende das Stück sehr gerne zum Besten geben. „Es ist ein Paradebeispiel für Humor in der Musik“, wie Groethuysen erläutert und doch ist es durchaus anspruchsvoll zu spielen, nicht nur, weil es in diesem Fall vierhändig auf einem Klavier aufgeführt wird. Die Duos – es sind zwei, auch um für Ausfälle gewappnet zu sein – benötigen vier bis sechs Wochen, um sich darauf vorzubereiten. Für die Studierenden sei diese Aufführung jedenfalls bereichernd. Sie begleiten eine Geschichte und müssen auf das, was auf der Bühne passiert, reagieren. So wird es spannend sein zu erleben, inwieweit das szenische Geschehen das Spiel beeinflusst. Allerdings werden nicht nur die Musiker*innen gefordert, auch die Puppenspieler*innen haben die Partituren verinnerlicht, wie Philippe Brunner berichtet. Spiel und Musik werden sich also gegenseitig beeinflussen. Neben dem Klavierduo kommen für den Karneval der Tiere auch Studierende mit Querflöte, Klarinette, Perkussion, Violoncello und Kontrabass unter der Leitung von Benjamin Schmid (Violine) zum Einsatz.

Die Geschichte von Babar, als Teil einer Kinderbuchreihe, entstand 1931 und wurde von Francis Poulenc im Zeitraum von 1940 bis 1945 in einer Fassung für Erzähler und Klavier vertont. Im Marionettentheater Salzburg wird auf die Originalfassung mit Klavier zurückgegriffen. Denn, wie Brunner betont, sei es gerade diese Fassung, die eine Durchsichtigkeit und Brillanz aufweist, die mit Orchester nur schwer zu erreichen ist. Ferdinand, der Stier erschien 1936 als Kinderbuch. 1971 wurde es von Alan Ridout für Violine solo vertont. Bisher wurden Stücke des Marionettentheaters nur in Koproduktionen mit der Mozartwoche live mit Musik begleitet. Die Live-Musikbegleitung durch Künstler*innen der Universität Mozarteum ist daher ein Novum und bietet die Chance einer Repertoireerweiterung. Die musikalische Begleitung der Geschichten ist nicht unwesentlich. Musik ist dafür geschaffen, Emotionen und gerade in diesem Fall Bilder zu erzeugen. „Jede Musik hat ihren Charakter und ihren Ausdruck, meist Seelenzustände oder Emotionen. Musik bietet sich daher sehr gut an, Geschichten zu erzählen. Es gibt keine andere Kunst, die so tief bewegt“, ist Groethuysen überzeugt.

Die Inszenierung gestaltet sich in vielerlei Hinsicht besonders. Sie besteht aus drei unterschiedlichen Stücken mit drei verschiedenen Regieteams. Die Vorbereitungs- und Umsetzungszeit beläuft sich auf knapp zwei Jahre. Die Stücke sind kurz, und doch will eine Geschichte erzählt werden –  kein einfaches Unterfangen für die Regie. Das Team des Marionettentheaters ist mit über 30 neuen Figuren, die inklusive ihrer Kostüme zum Großteil im Haus gefertigt wurden, mit zahlreichen Bühnenbildelementen, inklusive eines großen Glashauses mit Mobiliar, Requisiten, Häkelarbeiten bis hin zur selbst gefärbten Wolle über sich hinausgewachsen. Große Tiere wie Elefanten und ein Stier sind auch für die versierten Puppenbauer*innen sowie –spieler*innen (die Aufführenden vereinen beide Berufe in sich) des Marionettentheaters keine alltägliche Arbeit. Die Tiere müssen sich gut bewegen lassen, wofür bei manchen mehrere Puppenspieler*innen notwendig sind. Die meisten Figuren werden aus zwei Metern Höhe an Fäden bewegt – wobei die puppenführenden Personen eine überaus herausfordernde Haltung einnehmen. Die Fäden machen ein Umkleiden der Figuren unmöglich, was bedeutet, dass pro Kostüm eine eigene Puppe gefertigt werden musste! Darüber hinaus brachte die besondere Haut, die die Tierfiguren in Die Geschichte von Babar erhalten haben, viele „Häkelabende“ mit sich, wie sich Susanne Tiefenbacher, Geschäftsführerin des Salzburger Marionettentheaters, schmunzelnd erinnert. Wer denkt, dass Figuren heute aus 3-D-Druckern kommen und vieles mit Kunststoff zu bewerkstelligen ist, der irrt. Der Kern der Figuren besteht aus Holz, hinzu kommen Schaumstoffe, Textilien und Wolle. Die Gewerke, die sich in dieser Produktion wiederfinden, sind die Tischlerei, Schneiderei, Kostümbild, Schlosserei, Bildhauerei, Technik u.a. für Licht und Ton. So umfasst das Aufführungsteam inklusive Live-Musik sowie Sprecher*in insgesamt 23 Personen. All diese Herausforderungen werden jedoch belohnt. Die Produktion wird in das Standardrepertoire des Salzburger Marionettentheaters aufgenommen und kann hoffentlich viele Jahre Jung und Alt begeistern!

 

Zur Produktion:

  • BABAR: Regie: Lisa Stumpfögger; Bühnenbild und Figurinen: Herbert Kapplmüller; Figurenbau: Max Kiener-Laubenbacher, Vladimir Fediakov; Sprecherin: Hanna Schygulla
  • FERDINAND: Regie: Philippe Brunner; Figurine und Puppenbau: Vladimir Fediakov; Illustrationen: Clemens Birsak; Sprecher: Matthias Bundschuh 
  • KARNEVAL DER TIERE: Regie und Bühnenbild: Matthias Bundschuh; Figurinen und Puppenbau: Barbara und Günter Weinhold

 

(Ersterschienen in den Uni-Nachrichten / Salzburger Nachrichten am 10. Juni 2023)

Tickets (Öffnet in neuem Tab)
Performance
23.8.2023

Karneval der Tiere: Eine animalische Trilogie

In einer abwechslungsreichen Stunde erzählen Studierende unter der Leitung von Andreas Groethuysen und Benjamin Schmid, der auch den Part der Solo-Violine übernimmt, in Kooperation mit dem Salzburger Marionettentheater drei musikalische Tiergeschichten.

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