Medusa / Giuditta

Fr. 13.6.2025—Di. 17.6.2025
Oper
Medusa / Giuditta
Fr. 13.6.2025—Di. 17.6.2025
Zwei Frauen, zwei Legenden: Medusa aus der griechischen Mythologie und die israelische Witwe Judith aus dem Alten Testament. Das Oratorium "Giuditta" von Alessandro Scarlatti (Libretto: Antonio Ottoboni) wird mit der Uraufführung der Kammeroper "Medusa" (Libretto: Elisabeth Gutjahr, Musik: Yann Robin) im Spannungsfeld zwischen Barock und zeitgenössischer Musik verwoben.
Medusa
Kammeroper von Elisabeth Gutjahr (Libretto) und Yann Robin (Musik) - Uraufführung

Giuditta
Oratorium von Alessandro Scarlatti, Libretto von Antonio Ottoboni

Zwei Frauen, zwei Legenden. Medusa aus der griechischen Mythologie und die israelische Witwe Judith aus dem Alten Testament. Ihre Schicksale, Geschichten voller Liebe, Verführung, Mut und Tod, sind in zahlreichen Variationen in Werken der abendländischen Kunst, Musik und Literatur dargestellt worden. Beide, Medusa und Judith, wurden vom bedeutendsten Maler des italienischen Frühbarocks, Michelangelo Merisi da Caravaggio porträtiert. Medusa und Caravaggio sind Figuren aus Elisabeth Gutjahrs Libretto, das vom französischen Komponisten Yann Robin als Auftragswerk für die Universität Mozarteum Salzburg vertont wird. Ihm zur Seite stellen wir ein Oratorium des sizilianischen Komponisten Alessandro Scarlatti, der die Geschichte der Giuditta gleich mehrfach vertonte. In der sogenannten Cambridge-Fassung aus dem Jahr 1697 fokussiert er die Handlung rein auf die drei Hauptfiguren der Judith, ihrer Amme und den feindlichen Feldherren Holofernes und vertont die psychologische Essenz des Konfliktes. Im Jahr 2025 feiern wir Scarlattis 300. Todestag – für uns eine Gelegenheit, sein musikdramatisches Werk neu zu befragen und in den Kontext zeitgenössischen Musiktheaters zu stellen.

Musikalische Leitung: Vittorio Ghielmi ("Giuditta") und Kai Röhrig ("Medusa")
Szenische Leitung: Florentine Klepper
Raum/Video/Licht: Conny Zenk
Kostüm: Lena Matterne
Dramaturgie: Armela Madreiter
Barockorchester Universität Mozarteum
Ensemble für zeitgenössische Musik Universität Mozarteum

Zwei Geschichten, zwei Orchester, ein Abend: das Barockorchester der Universität Mozarteum um Vittorio Ghielmi, dem Leiter des Departments für Alte Musik und das Ensemble für Neue Musik unter der Leitung von Kai Röhrig gehen miteinander in Resonanz. Im Spannungsfeld zwischen Barock und zeitgenössischer Musik begibt sich die Opernklasse von Kai Röhrig und Florentine Klepper auf Spurensuche und knüpft damit an den erfolgreichen Doppelabend Elissa/Dido and Aeneas von 2023 an.

Die Produktion ist am 27.8.2025 im Rahmen des Festivals und der Accademia La Chigiana zu Gast im Teatro dei Rinnovati in Siena.


Foto: Conny Zenk

© Jean Radel

Yann Robin über „Medusa“


Der Komponist Yann Robin über seine Kammeroper „Medusa“ nach einem Libretto von Elisabeth Gutjahr

Für welche Besetzung ist Medusa komponiert und in welchem inhaltlichen Zusammenhang stehen die beiden Kompositionen Giuditta von Alessandro Scarlatti und Medusa? 

Medusa ist eine Kammeroper für drei Solist*innen – Sopran, Mezzosopran und Bass – sowie ein Ensemble aus neun Instrumentalist*innen. Die Kammeroper basiert auf einem Originallibretto von Elisabeth Gutjahr, das ursprünglich in deutscher Sprache verfasst und von Fausto Tuscano ins Italienische übertragen wurde. Die Übersetzung in die Sprache Dantes war insofern notwendig, als sich unsere Medusa als eine Antwort auf, oder vielmehr eine Umrahmung eines Werks der Vergangenheit versteht: Alessandro Scarlattis Oratorium La Giuditta aus dem Jahr 1697. Dieses Oratorium basiert auf der Figur der Judith aus den apokryphen Schriften des Alten Testaments und erzählt die Geschichte der Heldin der Hebräer: Die Witwe Judith befreite die von den Assyrern belagerte Stadt Betulia, indem sie deren General Holofernes, Anführer der Armee des assyrischen Königs, verführte und ihn mit seinem eigenen Schwert enthauptete.

Der frühbarocke italienische Maler Caravaggio hat diese Szene eindrücklich dargestellt: Auf seinem Gemälde wird Judith von einer Dienerin begleitet, die einen Sack bereithält, um den abgetrennten Kopf Holofernes´ mitzunehmen. Caravaggio verewigt den entscheidenden Moment: Judith hat die Enthauptung noch nicht vollendet, das Blut spritzt auf Kissen und Laken, die Episode ist zeitlos.


Wie werden die beiden Werke zueinander in Beziehung gesetzt?

Die Kammeroper Medusa gliedert sich in zwei Teile: einen Prolog, der vor Scarlattis La Giuditta aufgeführt wird und einen Epilog, der auf das Oratorium folgt und damit die Aufführung abschließt.

Unsere Medusa nimmt ebenfalls Bezug auf Caravaggios Gemälde Giuditta e Oloferne mit dem abgetrennten Kopf einer monströsen Kreatur. Im Prolog steht Fillide Melandroni dem Künstler Modell: Fillide soll zur Giuditta des Gemäldes werden. Caravaggio beginnt also damit, die biblische Szene aus Alessandro Scarlattis Oratorium auf seine Leinwand zu bannen.

Der Epilog von Medusa ruft eine dritte Figur auf: den Angelus Novus nach Paul Klees gleichnamiger Zeichnung. Der deutsche Philosoph Walter Benjamin beschreibt ihn folgendermaßen: „Es gibt ein Bild von Klee, das Angelus Novus heißt. Ein Engel ist darauf dargestellt, der aussieht, als wäre er im Begriff, sich von etwas zu entfernen, worauf er starrt. Seine Augen sind aufgerissen, sein Mund steht offen und seine Flügel sind ausgespannt. Der Engel der Geschichte muss so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. Er möchte wohl verweilen, die Toten wecken und das Zerschlagene zusammenfegen. Aber ein Sturm weht vom Paradiese her, der sich in seinen Flügeln verfangen hat und so stark ist, dass der Engel sie nicht mehr schließen kann. Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in die Zukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmerhaufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.” (Walter Benjamin, Über den Begriff der Geschichte, IX. These, 1942)