Magie, Poetik und Absurdität
Anfang 2025 bringt die Opernklasse von Florentine Klepper und Kai Röhrig der Universität Mozarteum Christian Josts „Dichterliebe“ auf die Bühne. Die beiden Ausstatterinnen Carla Schwering und Yvonne Schäfer sprechen über Ideen und Umsetzung ihrer Visionen für das Bühnenbild.
Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit mit Kai Röhrig und Florentine Klepper für die Produktion „Dichterliebe“?
Carla: Ich studiere Bühnen- und Kostümbild und bin in direktem Austausch mit den verschiedenen Departments der Universität Mozarteum. Kai Röhrig kannte ich bereits von der Barock-Oper „Dido & Aeneas“ im letzten Sommer, für die ich die Ausstattung machte. Das Thema von „Dichterliebe“ und die Musik von Robert Schumann in Kombination mit der Neu-Komposition von Christian Jost hat mich sehr überzeugt und ich war neugierig, Florentine kennenzulernen. So habe ich mich für dieses Projekt beworben und bin direkt in einen sehr spannenden Austausch geraten.
Seit wann und wie beschäftigt ihr euch, zuerst gedanklich und in weiterer Folge konkret, mit euren Bühnen- und Kostümentwürfen? Dürfen wir ein bisschen in eure Arbeitsweise „hineinschnuppern“?
Carla: Für „Dichterliebe“ stand ich zum ersten Mal mit Yvonne und Florentine im Frühjahr 2024 in Kontakt. Wir haben angefangen, in die Musik hineinzuhören und generell in einen Austausch zu den übergeordneten Themen Poetik, Romantik, Naturerfahrung zu kommen und uns die Frage gestellt, wie konkret man so ein „abstraktes“ Stück ohne Narrativ erzählen möchte. Erste Skizzen und poetisch-fantasievolle, emotionale Entwürfe sind zur Musik entstanden. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt habe ich unterschiedliche Typen herausgearbeitet und das eine „Ich“ in mehrere, verschiedene Charaktere zerteilt. Nach einigen Überarbeitungen wurden die Charaktere heutiger und realitätsnäher. Meine Kostüme entstehen dann im Probenprozess: Ich reagiere unmittelbar auf die Spielweise der Sänger:innen, schaue, was ihnen im Spiel hilft, und was sie für Accessoires brauchen. Ich modelliere nah an den Menschen und schaue mir sehr viel auf der Probe an. Ich suche Teile aus dem Fundus heraus, kaufe viel in Second-Hand-Läden ein und ändere die Teile ab, färbe sie, kombiniere sie neu, um damit mein eigenes Kostümbild zu kreieren.
„Dichterliebe“ ist ursprünglich ein Liederzyklus von Robert Schumann, einem Komponisten der Romantik. Inwiefern ist der „Geist dieser Epoche“ in euren Entwürfen spürbar und auch relevant für unsere Gegenwart?
Yvonne: Während der Beschäftigung mit der Epoche der Romantik im Zuge des Findungsprozesses wurde mir sehr schnell klar, wie ähnlich unsere Gegenwart der der Romantik ist: Es ist eine Zeit großer politischer und gesellschaftlicher Umbrüche, neue technische Errungenschaften fordern bisherige soziopolitische Gefüge heraus und stellen das Verhältnis „Mensch-Natur“ infrage. Das klingt für uns heute – unter anderem Vorzeichen – sehr bekannt und hierüber versuchen wir, die inhaltliche Brücke zu schlagen. Diese Erkenntnis hat auch den Bühnenentwurf maßgeblich beeinflusst: Wir finden uns an einem Bahnsteig wieder, ein Transitort, der uns in einer so stark vernetzten und globalisierten Welt sehr vertraut ist und eine gegenwärtige Interpretation des in der Romantik in Mode gekommenen Themas des Reisens bietet. Auch das gestörte Verhältnis des Menschen zur Natur rückt der Entwurf in den Fokus: Die aufkommende Industrialisierung und zunehmende Technisierung der Welt ließ die romantischen Künstler:innen verstärkt die Nähe zur Natur suchen und damit einhergehend auch eine gewisse „Romantisierung“ dieser vornehmen – so wie wir heute nach wie vor mit der Natur umgehen, diese immer weiter zurückdrängen, mit all den negativen Konsequenzen für uns selbst, so lässt auch der wie mit einem grauen Schleier belegte, künstlich wirkende Bühnenentwurf keine „natürliche“ Präsenz zu. Und dennoch findet sie ihren Weg in Form von Schnee, Blättern oder Lichtstimmungen, die sich unserer Kontrolle entziehen und die letztlich unsere so stark geglaubten Mauern einreißen und uns bewusst werden lassen, dass wir ebenso ein Teil der Natur sind und nicht über ihr stehen können.
Die „Dichterliebe“ von Christian Jost ist keine Oper im herkömmlichen Sinn, es wird keine kausale Geschichte erzählt, alles Zeitliche wird aufgehoben. Birgt das besondere Herausforderungen bei der Konzeption von Kostüm und Bühne?
Carla: Florentine hat mit uns als Team eine Art zeitliches Narrativ entwickelt, das aber nicht zwingend so realistisch ist, dass es alle „Regeln“ einer Zeitlichkeit auch unbedingt einhält. Es ist toll, dass wir unser Narrativ frei entwickeln konnten und auch bewusst Raum für Magie, Poetik und Absurdität gelassen wurde. Die Kostüme zeigen diese Ebene der Kausalität der Geschichte und der Aufhebung von Zeitlichkeit deutlich. Ich sehe das Stück als Prozess, in dem verschiedene Personenkonstellationen aufeinandertreffen und sich immer näherkommen, immer verletzlicher und dünnhäutiger werden, daher im Kostümbild anfangen, ihre Kleidungsschichten abzulegen. Durch den Stil der Kleidung wird deutlich, wer welchen Typ Mensch repräsentiert. Es wird einen Zeitpunkt geben, wo das graue Anfangsbild einer mehr oder weniger anonymen Schicksalsgemeinschaft langsam abblättert und immer farbenintensiver, aber auch immer fragiler, transparenter und von der Stoffmaterialität her feiner wird, parallel zu dem, was in der Musik und auf der Bühne passiert. Durch die Farbverläufe und Färbungen auf den Stoffen wird alles in einen poetischen „Dichterliebe“-Ton getaucht. Dadurch wird klar, dass es das Schicksal dieser „Dichterliebe“-Typen ist, in diesem Theaterraum zusammen zu sein und diesen Abend zusammen auf der Bühne auszuharren. Für mich war es keine Herausforderung, dass die „Dichterliebe“ kein Narrativ im herkömmlichen Sinne hat, im Gegenteil: Ich fand es sehr inspirierend, einfach konzeptuell auf die Musik und das Gesamtthema mit meiner Kostümarbeit frei reagieren zu können und im Prozess zu schauen, wie das in der Umsetzung funktioniert.
Habt ihr einen „Lieblings-Moment“ im Werk? Wenn ja, welcher ist das?
Yvonne: Ich kann persönlich weniger von „dem einen“ Moment sprechen, als vielmehr davon, dass für mich in dieser Inszenierung viel zusammenkommt, das Sinn ergibt und auf allen Ebenen stimmig ist. Dazu gehört, dass alle beteiligten Ebenen ihren Teil zum Konzept beisteuern, ohne den anderen Bereichen ihren Moment zu nehmen. Im Falle meines Bühnenbildentwurfs deckt er den Aspekt der Rahmung des Konzeptes ab, wäre für sich alleine stehend aber kein vollendetes Kunstwerk. Mein Bühnenbild braucht die Musik, die Kostüme, die Sänger:innen ebenso sehr, wie diese den Raum brauchen, in dem sich die Handlung, die Figuren und die Melodien entfalten können. In unserer „Dichterliebe“ haben wir ein harmonisches Gleichgewicht aller Beteiligten geschaffen: Da ist die großartige Musik in der Neukomposition von Christian Jost, die all das Liebliche einer romantischen Komposition abgelegt hat und ein aufwühlendes Stimmungsbild des Innenlebens der einzelnen Figuren auf der Bühne abgibt. Da sind die Kostüme von Carla, die die Entwicklungen der Charaktere unterstützen. Da ist natürlich auch der Raum, der den in ihm Verweilenden Spielregeln auferlegt, nur um diese später selbst zu brechen und zu dekonstruieren und da sind die Figuren selbst, die mit der Zeit dem Publikum ihre Motivationen, Ängste und Wünsche offenbaren. All diese Ebenen werden durch Florentines Inszenierung in einen dichten Teppich verwoben, der im Gesamten dem Inhalt und Thema der „Dichterliebe“ Form und Ausdruck verleiht.
(Ersterschienen in den Uni-Nachrichten/Salzburger Nachrichten am 14. Dezember 2024)
Termine
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24.1.202519:00 UhrMax Schlereth Saal
Dichterliebe Florentine Klepper inszeniert den berühmtesten Liederzyklus der deutschen Romantik als großes Ensemblewerk und begibt sich mit den Studierenden der Opernklasse auf Spurensuche an den Abgründen der Seele, Liebe, Einsamkeit und menschliche Endlichkeit. -
25.1.202516:00 UhrMax Schlereth Saal
Dichterliebe Florentine Klepper inszeniert den berühmtesten Liederzyklus der deutschen Romantik als großes Ensemblewerk und begibt sich mit den Studierenden der Opernklasse auf Spurensuche an den Abgründen der Seele, Liebe, Einsamkeit und menschliche Endlichkeit. -
27.1.202519:00 UhrMax Schlereth Saal
Dichterliebe Florentine Klepper inszeniert den berühmtesten Liederzyklus der deutschen Romantik als großes Ensemblewerk und begibt sich mit den Studierenden der Opernklasse auf Spurensuche an den Abgründen der Seele, Liebe, Einsamkeit und menschliche Endlichkeit. -
28.1.202519:00 UhrMax Schlereth Saal
Dichterliebe Florentine Klepper inszeniert den berühmtesten Liederzyklus der deutschen Romantik als großes Ensemblewerk und begibt sich mit den Studierenden der Opernklasse auf Spurensuche an den Abgründen der Seele, Liebe, Einsamkeit und menschliche Endlichkeit.