Jede künstlerische Praxis ist kollektiv

15.06.2023
News
Illustration von Kreisen

Im Doktoratskolleg der interuniversitären Einrichtung Wissenschaft & Kunst (W&K) forschen und arbeiten Doktorand*innen eng vernetzt an der Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst.

Termin:

Pressekonferenz & Informationsveranstaltung
zum interuniversitären Doktoratskolleg

Projektpräsentationen der Doktorand*innen & Ausblick auf das Doktoratskolleg ab 2024

  • 27. September 2023 um 10:00 Uhr
  • Atelier im KunstQuartier

v.l.n.r. Ivana Pilić, Anita Moser, Luisa Zornemann, Gwendolin Lehnerer, Martina Fladerer, Anna Stadler, Nicole Haitzinger, Ielizaveta Oliinyk, Raffael Hiden

Seit über 10 Jahren haben Studierende in Salzburg die Möglichkeit, in kleinem Rahmen ein transdisziplinäres PhD-Programm zu absolvieren und den Fokus auf die Beschäftigung mit Themen an der Schnittstelle zwischen Kunst, Wissenschaft und Forschung zu legen. Das interuniversitäre Doktoratskolleg ist eine Kooperation zwischen der Universität Mozarteum und der Paris-Lodron-Universität Salzburg am gemeinsamen Kooperationsschwerpunkt W&K. „Es ist richtungsweisend, dass eine Kunstuniversität und eine wissenschaftlich ausgerichtete Universität gemeinsam ein Doktoratskolleg anbieten. Gerade durch aktuelle Veränderungen ist die Frage nach den Reflexionshorizonten zur Perspektivierung von Künsten ein großes Thema, bei dem sich institutionelle Zusammenarbeit eigentlich eher schwierig gestaltet“, sagt Nicole Haitzinger, wissenschaftliche Leiterin Programms. Derzeit läuft das Kolleg das dritte Mal, dem aktuellen Rahmenthema von W&K „Die Künste und ihre öffentliche Wirkung: Dynamiken des Wandels“ folgend. Sechs Doktorand*innen, die wissenschaftlich und in der künstlerischen bzw. kuratorischen Praxis tätig sind, befassen sich seit 2019 mit Phänomenen, Konzepten und Prozessen gesellschaftlicher Veränderungen in ihren Verflechtungen mit Kultur, Künsten und ihren Öffentlichkeiten. Anita Moser, geschäftsführende Leiterin des Kollegs, betont die starken Wechselwirkungen, die hierbei entstehen: „Die Themen kommen aus der Gesellschaft und die Projekte, die entwickelt werden, sollten auch wieder in die Gesellschaft zurückfließen.“ Die Dissertationsthemen sind entsprechend breit gefächert: Ielizaveta Oliinyk beschäftigt sich mit gesellschaftlicher Transformation anhand des zeitgenössischen Theaters in der Ukraine, Anna Stadler untersucht das Verhältnis von paratextuellen Elementen und situations-spezifischen Kunstformen und Gwendolin Lehnerer erforscht neobarocke Forschungspraktiken im Dispositiv des Theaters und der Ausstellung: „Für mich haben sich Theorie und Praxis nicht nur angenähert, sondern sind zum gemeinsamen Feld geworden, in und mit dem geforscht werden kann. Ich denke, dass eine solche Form der Dissertation auch demokratisierende Effekte haben kann.

Finanziert von den beiden Universitäten und dem Land Salzburg ermöglicht das Kolleg den Doktorand*innen, mit einer engen Bindung zur Stadt Salzburg zu arbeiten, zu forschen und sich transdisziplinär mit der Frage nach gesellschaftlicher Relevanz auseinanderzusetzen. „Diese Frage verbindet alle Dissertationsthemen. Das kann durch kuratorische Forschung passieren oder durch die Arbeit mit der Zivilgesellschaft – wir möchten kein ‚Elfenbeinturm Wissenschaft‘ sein, sondern jene Schnittstelle, an der etwas in der Gesellschaft verbessert werden kann und an der die Schwellen zwischen Universitäten und Interessierten abgebaut werden,“ sagt Nicole Haitzinger. Raffael Hiden, der in seiner Dissertation an der Schnittstelle von Soziologie, Literatur und Theater forscht, betont: „Gesellschaftliche wie soziale Problemlagen zu identifizieren und in der Folge zu reflektieren, ist ein Projekt, das im Dialog zwischen Wissensfeldern immer besser aufgehoben ist als bloß in disziplinären Monologen“.

Das PhD-Programm ist geprägt von besonderen Rahmenbedingungen: Doktorand*innen erhalten eine 50%-Stelle bei W&K, es steht ein Großraumbüro sowie Budget für Veranstaltungen, für Gastgespräche und Projekte zur Verfügung und es gibt starke Verbindungen zu Stadt und Land Salzburg – ob mit der Zivilgesellschaft oder in Form von Kooperation. Ein Unikum des Kollegs ist der intensive Austausch und Dialog, der den Doktorand*innen ermöglicht wird, was zu einem stark kollektiven Arbeiten führt. Anita Moser: „Eine Gemeinsamkeit sind die sehr ‚praxisgesättigten‘ Arbeiten, da die Doktorand*innen aus der künstlerischen oder kuratorischen Praxis kommen. Das spielt eine wichtige Rolle, nicht zuletzt deshalb, weil vielfältige eigene Erfahrungen in die Arbeiten einfließen und dadurch auch ein großes persönliches Interesse besteht.“ So kristallisiert sich eine Gruppe heraus, die nicht konkurriert, sondern mit unterschiedlichen Perspektiven gemeinsame Projekte entwickelt. „Das ist in der Wissenschaft oft nicht der Fall, deshalb ist es uns so wichtig, das zu fördern. Nicht das Eigene ins Zentrum setzen, sondern das kollektive Denken und Arbeiten zu motivieren. Denn jede künstlerische, performative Praxis ist kollektiv“, stellt Nicole Haitzinger fest. Diese Erfahrung bestätigt auch Martina Fladerer, die sich mit partizipativen Musik-Räumen und „Musicking“ beschäftigt: „Wir bringen Wissen aus unterschiedlichsten Disziplinen und Erfahrungen aus verschiedensten Feldern zwischen Wissenschaft und Kunst mit. Ich bin davon überzeugt, dass das dazu beigetragen hat, dass ich in meiner Forschung multiperspektivisch verfahre, dass es mich ermutigt hat, über die eigene Disziplin hinaus zu denken.“ Und Ivana Pilić, die diskriminierungskritische Kunstpraxen untersucht, bestärkt: „Im Doktoratskolleg wird man von Anfang an begleitet, die eigene Arbeit wird in unterschiedlichen Formaten besprochen und weiterentwickelt. Der Qualitätsgewinn ist erheblich, nicht zuletzt, weil man mit den Doktoratskolleg*innen eine Forschungsgemeinschaft bildet.“

Das aktuelle Doktoratskolleg wird im Sommer 2023 abgeschlossen, die Planung für den nächsten Zyklus ist bereits in Arbeit. Beginn der Ausschreibung ist im Herbst, die Bewerbungsphase wird mit Frühjahr 2024 starten. Nicole Haitzinger und Anita Moser sind erfreut über die Vertiefungen, die mit dem Start des nächsten Kollegs im Herbst 2024 anstehen: „Was in Zukunft erfreulicherweise anders wird: Bisher war das Kolleg auf 3 Jahre angelegt, covidbedingt gab es diesmal ein Jahr mehr – das soll auch in Zukunft so bleiben, inklusive 50%-Stellen für die Doktorand*innen für den gesamten Zeitraum.“ Außerdem ist geplant, die Vernetzung zu Salzburgs Öffentlichkeit und international zu stärken, das transdisziplinäre Arbeiten sowie die Flexibilität der Methoden auszuweiten, um noch mehr Raum in jeder Hinsicht bieten zu können.

 

Interuniversitäres Doktoratskolleg

  • Wissenschaftliche Leitung:
    Nicole Haitzinger (Musik- & Tanzwissenschaft, Universität Salzburg)
  • Wissenschaftliche Co-Leiterin:
    Lucia D’Errico (Artistic Research, Universität Mozarteum Salzburg)
  • Geschäftsführende Leitung:
    Anita Moser (PB Zeitgenössische Kunst & Kulturproduktion, IE Wissenschaft & Kunst)

 

(Ersterschienen in den Uni-Nachrichten / Salzburger Nachrichten am 10. Juni 2023)

Mehr zum interuniversitären Doktoratskolleg erfahren (Öffnet in neuem Tab)