„Composer for all seasons“: In memoriam Wolfgang Rihm

31.07.2024
In memoriam
Wolfgang Rihm | © Universal Edition Eric Marinitsch

Der Ausnahmekünstler Wolfgang Rihm zählt zu den meistgespielten zeitgenössischen Komponisten Europas. Als Pädagoge und Composer in Residence (2015) war Wolfgang Rihm auch mit der Internationalen Sommerakademie Mozarteum immer wieder eng verbunden. In der Nacht zum 27. Juli ist er im Alter von nur 72 Jahren verstorben. Die Universität Mozarteum trauert um einen außergewöhnlichen Wegbegleiter, der stets eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration bleiben wird.

Biografie: Hochschule für Musik Karlsruhe

Wolfgang Rihm, 1952 in Karlsruhe geboren, machte im Alter von elf Jahren seine ersten Kompositionsversuche. Noch während seiner Schulzeit begann er ein Kompositionsstudium bei Eugen Werner Velte an der Hochschule für Musik in Karlsruhe und legte gleichzeitig mit den Abiturprüfungen 1972 dort auch sein Examen ab. Im gleichen Jahr wechselte Rihm an die Musikhochschule Köln, um seine Kompositionsstudien bei Karlheinz Stockhausen fortzusetzen. 1973 nahm er in Freiburg ein Studium der Komposition bei Klaus Huber und der Musikwissenschaft bei Hans Heinrich Eggebrecht auf. Besonders prägend waren für ihn neben seinen Lehrern auch Komponisten wie Morton Feldman, Wilhelm Killmayer, Helmut Lachenmann und Luigi Nono, dem er mehrere Werke widmete.

Rihms musikalisches Schaffen wurde schon früh durch zahlreiche Preise ausgezeichnet, so erhielt er etwa 1978 den Kranichsteiner Musikpreis und den Reinhold-Schneider-Preis der Stadt Freiburg sowie 1981 den Beethoven-Preis der Stadt Bonn. 1986 wurde er für "Die Hamletmaschine" mit dem Rolf-Liebermann-Preis ausgezeichnet. Er war Stipendiat u. a. des Berliner Kunstpreises (1978), der Stadt Hamburg (1979), der Villa Massimo in Rom (1979/80) und der Cité des Arts in Paris (1983). 1997 erhielt er den Prix de Composition Musical de la Fondation Prince Pierre de Monaco und 1998 den Jacob Burckardt-Preis der Johann Wolfgang von Goethe-Stiftung. Seit 1989 ist Wolfgang Rihm Träger des Bundesverdienstkreuzes und 1998 verlieh ihm die Freie Universität Berlin die Ehrendoktorwürde. 2000 erhielt er den Bach-Preis der Stadt Hamburg, 2001 den Royal Philharmonic Society Award für das Werk "Jagden und Formen"; im gleichen Jahr wurde er durch das französische Außenministerium zum "Officier dans l'Ordre des Arts et des Lettres" ernannt. 2003 erhielt er den Ernst von Siemens Musikpreis, 2004 wurde ihm die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg verliehen und 2014 das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland. 2017 erhielt er den Preis der Europäischen Kirchenmusik, 2018 den Stiftungspreis der ökumenischen Stiftung Bibel und Kultur.

Zu seinem 70. Geburtstag verliehen die Salzburger Festspiele Rihm als erstem Komponisten die Festspielnadel mit Rubinen.

Rihms umfangreiche Lehrtätigkeit begann bereits im Alter von 21 Jahren, als er Dozent an der Karlsruher Hochschule für Musik wurde. 1978 war er erstmals Dozent der Darmstädter Ferienkurse. 1985 wurde Rihm als Nachfolger seines Lehrers Eugen Werner Velte Professor für Komposition an der Karlsruher Musikhochschule. In den Jahren 1984/85 war er Fellow des Wissenschaftskollegs zu Berlin, Präsidiumsmitglied des Deutschen Komponistenverbandes und des Deutschen Musikrates, Mitglied im Aufsichtsrat der GEMA seit 1989, 1984-89 Mitherausgeber der Musikzeitschrift „Melos“ und 1985-89 musikalischer Berater der Deutschen Oper Berlin sowie von 1990-93 des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe. Rihm war Mitglied der Akademien der Künste München, Berlin und Mannheim sowie Kuratoriumsmitglied der Heinrich-Strobel-Stiftung Baden-Baden. 2016 übernahm er die künstlerische Gesamtleitung der Lucerne Festival Academy.

In seinen Kompositionen widmet sich Rihm beinahe allen Gattungen der Instrumental- und Vokalmusik. Ein besonderer Schwerpunkt liegt im Bereich des Musiktheaters. So zählen zu Rihms Werken die Kammeropern "Faust und Yorick" (1976) und "Jakob Lenz" (1977/78). Nach der textlichen Vorlage von Heiner Müller entstand 1983/86 die Oper "Die Hamletmaschine". 1986/87 komponierte Wolfgang Rihm "Oedipus" nach Texten von Sophokles, Hölderlin, Nietzsche und Heiner Müller, 1987/91 "Die Eroberung von Mexico" nach Texten von Antonin Artaud. 1994 entstand "Séraphin", ein Musiktheater ohne Text, dessen szenische Erstaufführung 1996 in Stuttgart stattfand. 1997 war er Composer-in-Residence bei den Internationalen Musikfestwochen Luzern, 2000 bei den Salzburger Festspielen und beim Festival Musica in Straßburg. Anlässlich seines 50. Geburtstages fanden 2001/02 europaweit zahlreiche Festivals und Uraufführungen statt. Die Stadt Karlsruhe stellte 2012 sein Schaffen ins Zentrum der „21. Europäischen Kulturtage Karlsruhe“ unter dem Motto „Musik baut Europa. Wolfgang Rihm“ anlässlich seines 60. Geburtstags. Die Uraufführung seiner Orchesterlieder-Suite "Reminiszenz" war 2017 Teil des Festakts und Konzerts zur Eröffnung der Elbphilharmonie Hamburg.

Wolfgang Rihm leitete als Professor eine international gesuchte Kompositionsklasse an der Hochschule für Musik Karlsruhe, der er zeitlebens treu verbunden blieb. Weltweit gefeierte AbsolventInnen sind – um nur zwei zu nennen – Rebecca Saunders und Jörg Widmann.

2013 wurde an der Hochschule für Musik in Karlsruhe das "Wolfgang-Rihm-Forum" mit Bühnenkomplex, Unterrichtsgebäude und Campus eröffnet.