Das klassische Kunstlied als große Liebe - Elisabeth de Roo

08.05.2024
Alumni Story
Elisabeth de Roo | © Melissa Zgouridi

Elisabeth de Roo studierte Lied und Oratorium an der Universität Mozarteum Salzburg sowie Immobilienwirtschaft und Facility Management an der Fachhochschule in Kufstein. Mit ihrem Stück „Kein leichtes Mädchen. Käuflicher Liederabend“ widmet sie sich einem sensiblen Thema und versucht, die Menschen zum Diskutieren anzuregen. 

www.elisabethderoo.com

Elisabeth de Roo ist eine klassische Sängerin, die mit Bühnenprojekten experimentiert.

Du hast dich in deinem aktuellen künstlerischen Projekt „Kein leichtes Mädchen“ einem sehr sensiblen Thema gewidmet: dem Tabuthema Sexarbeit, bei der gleichzeitigen Allgegenwart von „Sex“. Das Stück ist ab Mai im Salzburger Schauspielhaus zu erleben. Darin widmest du dich Fragen wie „wo endet die eigene Freiheit“ und „wo hat sie zu enden“ und wie geht es Menschen, die selbstbestimmt „psychohygienische Arbeit“ leisten, die von der Gesellschaft zum großen Teil unreflektiert tabuisiert und mit Menschenhandel und Vergewaltigung gleichgesetzt wird. Wie kam es zu diesem Projekt?

Bei dem Stück handelt es sich um einen Monolog, den ich mit Kunstliedern von Franz Schubert bis Richard Strauss erweitert habe. In der Handlung geht es um Felicitas, eine klassisch ausgebildete Sängerin und alleinerziehende Mutter zweier Kinder. Sie ist Sexarbeiterin und versucht mit einem Liederabend ihr Comeback als Sängerin. Man könnte jetzt sofort einwenden, warum Kunstlieder zu Sexarbeit? Für mich ging es dabei um diesen scheinbaren Kontrast zwischen dem gefeierten Kunstlied und der stigmatisierten Sexarbeit. Den finde ich unheimlich spannend. Der Abend selbst soll als Diskussionsgrundlage dienen. Zu Themen wie Selbstbestimmtheit, Menschenrechte sowie der Stigmatisierung und Ausgrenzung von bestimmten Menschengruppen. Außerdem hatte ich immer die Idee, den klassischen Liederabend neuzugestalten. Mir fiel auf, wie es sicher all meinen Kolleg*innen auch auffällt, dass unser Publikum immer älter wird. Junge Menschen gehen sehr selten in die Winterreise von Schubert. Das finde ich schade, da viele klassische Lieder unglaublich zeitnah sind. Ich kann es aber auch verstehen, weil die Aktualität der Lieder nicht sofort ersichtlich ist. Daher dachte ich, es müsste eine Aufführungsform entwickelt werden, die auch Menschen in meiner Generation oder allgemein mehr Menschen in einen Liederabend bringt. Ich bewarb mich um ein Stipendium in Tirol, ein wenig wie mit einer Wunschliste an das Christkind, mit dem Plan, den Liederabend neu zu denken, ja zu revolutionieren. Ich bekam die Zusage zum Stipendium, freute mich und dann war es aber gar nicht so einfach, einen konkreten Plan zu entwickeln. Ein befreundeter Kabarettist meinte dann: „Mach was über Sex, das geht immer“. Da fielen mir Erlebnisse ein, die ich durch mein jahrelanges Pendeln um fünf Uhr früh von Innsbruck nach Salzburg hatte. Ich ging dabei täglich am Südring in Innsbruck, an dem es damals noch einen Straßenstrich gab, vorbei. Ich grüßte die Frauen, die am Südring auf Männer warteten. Die Frauen grüßten zurück und recht schnell kamen wir ins Gespräch. Der Beruf der Frauen ist schnell erzählt. Wir alle wissen, was sie tun. Aber wer sind die Menschen hinter dem Beruf? Haben Sie Familie? Haben Sie Kinder? Was sind ihre Hobbys? Warum üben sie gerade diesen Beruf aus und keinen anderen? Ich ging auf die Suche. Anfangs waren es nur Frauen, die bereit waren, mir ihre Geschichte zu erzählen. Ich wusste aber lange nicht, was ich genau damit machen will. Mittlerweile sind es weit über 100 Menschen, die ich in einem Projektzeitraum von eineinhalb Jahren interviewt habe. Ein Schüsselmoment war ein Gespräch mit einer Frau aus Hamburg. Sie zeigte mir eine Unterschriftenliste mit dem Titel „Die Hure soll gehen“ und berichtete von ihrem siebenjährigen Kind, zu dessen Geburtstagsfeier niemand kommen wollte, weil es ein Hurenkind sei. Das Kind verstand das natürlich nicht und wollte von der Mutter wissen, was ein Hurenkind ist. Es war bald so, wie man sich eine Hexenjagd vorstellt. Diese Geschichte ließ mich nicht los und ich versuchte zu verstehen, wie so etwas passieren konnte. So entstand mein Plan, dieses Thema auf die Bühne zu bringen. Ich erzählte meinem Regisseur Thomas Lackner davon, mit den Worten „Thomas, ich muss diese Geschichte auf der Bühne erzählen, aber möglicherweise werde ich ausgebuht und gehe mit wehenden Fahnen unter“. Er antwortete mir – und das werde ich nie vergessen: „Wenn wir untergehen, dann zusammen. Wir bringen das auf die Bühne.“ So begann ich, den Monolog zu schreiben und die Lieder auszuwählen. Ich glaube, schwere Themen brauchen Humor, damit man sie ertragen kann. Es gibt einfach unglaubliche Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden. Eine Sexarbeiterin, die mir erzählte, dass sie Probleme hatte, einen Kindergartenplatz zu bekommen, da ihr Kind angeblich Aids übertragen würde. Oder Frauen, deren Autoreifen aufgeschlitzt wurden, Nachbarn, die eine Sexarbeiterin im Flur anspuckten, obwohl sie früher die Katzen in deren Abwesenheit gefüttert hatte usw. Nach diesen Geschichten dachte ich mir, wir müssen nicht über den Beruf reden, sondern über Menschlichkeit, über das Recht, über andere zu urteilen, über Moralvorstellungen. Das hat mich sehr überrascht und bewegt. Ich hatte nicht damit gerechnet. Das Hauptproblem in diesem Job sind also nicht die Kund*innen und die Bordellbetreiber*innen, sondern die Nachbarn, die Familie, die Freunde und das soziale Umfeld.

Der nächste Schritt war, den Aufführungsort auszuwählen. Thomas wollte das Stück in einem Kammermusiksaal spielen – in einem glanzvollen Umfeld. Das war allerdings nicht so einfach. Man wollte das Projekt nicht haben oder die Säle waren so teuer, dass ich es mir nicht leisten konnte. Die lustigste Antwort war: „Rufen Sie nicht uns an, wir melden uns bei Ihnen.“ So kam‘s, dass Thomas und ich ins Treibhaus gingen, obwohl dort normalerweise keine klassische Musik auf dem Programm steht, und ich die Vorstellung meines Projektes mit den Worten beendete: „Es will keiner haben.“ Und der gute Norbert Pfeifer grinste und meinte: „Wann wollt ihr denn spielen?“ In der Folge wurde das Stück von der Kronenzeitung, der Tiroler Tageszeitung und vom ORF aufgegriffen, das war ein großes Glück. Es war schon ein weiter Weg von der Idee bis zur Aufführung vor Publikum, mit vielen Absagen, vielen Wegen, vielen E-Mails und Gesprächen, Organisatorischem – das sind Dinge, auf die man als Künstlerin nicht unbedingt vorbereitet ist und die man während der Ausbildung wenig lernt und begreift. Was mich persönlich gefreut hat ist, dass das Land Tirol und die Stadt Innsbruck uns finanziell sehr geholfen haben. Und mein persönliches Highlight: Auf dem Plakat befand sich, unter anderem, neben unserem Hauptsponsor, dem Sex-Shop ORION, der Sexarbeitende sehr unterstützt, die Katholische Frauenbewegung und der Inner Wheel Club. Frauenpower eben.

Bis zum Schluss war ich darauf gefasst, dass das Stück ausgebuht wird. Dennoch wollte ich die Geschichte erzählen. Ich war darauf vorbereitet, dass die Vorstellungen gestört werden, obwohl nichts Obszönes oder Sexuelles in diesen Abenden zu sehen oder hören ist. Es geht nicht um sexuelle Praktiken oder ähnliches. Ich halte uns allen, auch mir selbst den Spiegel vor. Ich stelle zum Beispiel die Frage: Wann ist Arbeit nicht normal? Das Stück thematisiert, wie es zur Entscheidung Sexarbeit zu leisten, kam – oft sind es sehr pragmatische Gründe. Es geht auch darum, wie und warum Menschen versuchen, diese Arbeit geheim zu halten. Damit ihre Kinder keine Nachteilteile haben, sie ihre Wohnung behalten können, ihre Rechnungen bezahlen können. Das sagt schon auch viel über die Gesellschaft aus.

 

Wie waren die Reaktionen des Publikums in Tirol?

Wir hatten stehende Ovationen! Ich war sehr überrascht. Ich bin gespannt, wie das Salzburger Publikum das Stück aufnehmen wird. Und natürlich schwingt immer die Angst mit, dass es das Publikum furchtbar finden wird.

 

Wie hast du dich persönlich mit dem Stück auf der Bühne gefühlt? Hattest du auch die Sorge, dass du dich angreifbar machst auf neuem Terrain mit sensiblem Thema?

Es gab mehrere Aspekte, die mir Sicherheit gaben. Was mir sehr geholfen hat, waren die Generalproben, bei denen einige meiner Gesprächspartner*innen, Sexarbeiter*innen und Sozialarbeiter*innen dabei waren. Der Text war also von den betroffenen Personen gut geprüft. Ich bekam viele Rückmeldungen und war sicher, dass ich gut recherchiert hatte. Ich hatte auch Probendurchläufe vor Kolleg*innen aus Gesang und Schauspiel und das gab mir letztlich die fachliche Sicherheit. Sehr wichtig waren für mich der Rückhalt meines Mannes Florian und meiner Eltern, die mir den Mut gegeben haben, mich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und hinter mir standen sowie die Hilfe von Christine Nagl, einer Salzburger Sozialarbeiterin und Aktivistin, der Sexarbeiterin Thorja von Thador und der Info und Beratungsstelle für Sexarbeitende in Tirol, die alle während des gesamten Prozesses mit ihrer Ausdauer und Aktivität eine große Hilfe waren. Ohne sie wäre ich nicht so weit gekommen und dieses Stück wäre dieses Jahr nicht in Salzburg und im Radiokulturhaus in Wien und nächstes Jahr in Ingolstadt zu sehen. All das waren Faktoren, die mich bestärkt haben. Die Rolle an sich half auch, da die Figur von Beginn an „neben sich steht“. Schwierig war und ist, dass ich sowohl das Sprechen als auch den Gesang ohne Mikro bewältige und das ist über zwei Stunden hinweg sehr anstrengend. Vor allem, wenn man Strauß, Berg und Rachmaninoff singt und dann wieder ins Sprechen wechseln muss. Das Wichtigste war für mich, dass ich mit den Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind, spreche und nicht über sie. Das wollte ich rüberbringen. Die Menschen, die diesen Beruf ausüben, sind weder dumm noch ungebildet, sie sind in allen Berufsgruppen und Bildungsschichten zu finden. Letztlich war es mir wichtiger, dass die Menschen, mit denen ich über die Sexarbeit gesprochen habe, sich in dem Stück wiederfinden und mit dem Inhalt einverstanden sind, als dass es dem Publikum gefällt. Thomas Lackner war während der Probenphase immer für mich da. Das war ein großes Geschenk und Glück für mich. Oft haben wir nach den Proben noch telefoniert, weil ihm noch etwas einfiel, das ich besser machen könnte. Ohne Thomas wäre das Stück nicht das, was es ist. Dafür werde ich ihm immer dankbar sein.

 

Ist es das Privileg der Kunst oder sogar das einzig akzeptierte Mittel, sensible Themen anzusprechen?

Wenn man das Thema z.B. journalistisch aufgreifen möchte, braucht man Quellen und Belege. Es gibt Frauen aus der Berufsgruppe, die das vielleicht auch machen würden, aber viele müssen Nachteile für sich und ihre Familien befürchten, daher wird es schwierig. Sexarbeitende müssen ihr Privatleben schützen. Traurig, aber wahr. Insofern ist die Kunst prädestiniert für solche Themen, denn die Kunst darf vieles sagen, ohne rechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Für mich ist die Zeit lange vorbei, in der Kunst nur schön sein darf. Kunst hat für mich auch die Verpflichtung, unschöne Dinge anzusprechen. Natürlich muss das nicht jede*r Künstler*in machen. Vielleicht ist es auch wichtig, dass der „1000ste Figaro“ gespielt wird (auch da kann Gesellschaftskritik angebracht werden), möglicherweise ist es auch die Aufgabe der Kunst, Dinge schön zu machen, abzufedern und zu unterhalten, aber es ist nicht unbedingt mein Weg. Ich möchte das nicht in positiv und negativ einteilen. Ich glaube, dass wir als Menschen nicht einfach nur neben den Problemen dieser Zeit oder der Gesellschaft stehen können, unabhängig davon welcher Berufsgruppe wir angehören.

 

Wie kamst du zu deiner Passion dem Lied? Worin liegen die Besonderheiten des Kunstlieds?

Lieder erzählen die großen Geschichten unserer Zeit in wenigen Minuten. Ich liebe es, diese kleinen und großen Geschichten zu erzählen, leichte und schwere Melodien zum Besten zu geben, flüchtige oder langanhaltende Gefühle beim Publikum und mir selbst hervorzurufen. Ein Kunstlied ist sehr oft politisch. Eine Oper manchmal auch, aber oft gibt es kein anspruchsvolles Libretto. Ich habe die Schauspieler*innen immer um die Lyrik beneidet und im Kunstlied finde ich etwas Ähnliches. Die Texte sind nicht altmodisch, sie treffen auf heutige Gegebenheiten durchaus zu. Für mich kann das Lied so unglaublich viel ausdrücken, Geschichten erzählen, ähnlich einem Popsong.

 

Wie kamst du zum Schauspiel?

Zufällig. Ich half bei einer Schauspielproduktion, die den österreichischen Musiktheaterpreis bekam, bei der Einstudierung. So lernte ich Thomas Lackner kennen und wir haben in weiterer Folge an einem gemeinsamen Projekt gearbeitet, Ilse Aichingers „Spiegelgeschichte“. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich mich weiter in diesem Fach ausprobieren wollte. Ich freue mich, dass „Kein leichtes Mädchen“ das Publikum immer wieder zum Lachen bringt. Da Stück ermöglicht die Interaktion mit dem Publikum. Das war so nicht geplant, aber ich sehe, dass es funktioniert und das macht sehr viel Spaß. Das ist mir bei einem klassischen Liederabend noch nie in dieser Form gelungen. Ich habe das Gefühl, dass diese Momente mit dem Publikum die „Schwere“ aus der klassischen Musik nehmen, vielleicht sogar den Perfektionismus und ich damit mehr Menschen erreichen kann. Ich habe in den letzten Aufführungen sowohl typische Konzertbesucher*innen im gutsitzenden Anzug oder Abendkleid gesehen als auch Menschen in Jeans und Alltagskleidung, typische Schauspielbesucher*innen, aber auch junge Menschen. Diese Mischung ist großartig.

 

Welchen Rat kannst du jungen Studierenden aus deinen bisherigen Erfahrungen mit auf den Weg geben?

Einfach machen. Nicht überlegen, ob man mit einem Projekt Erfolg hat oder scheitern könnte. Die Überlegung, ob es dem Publikum gefällt, ist die falsche. Man muss machen, wovon man überzeugt ist. Natürlich ist es unsere Verpflichtung, Programme gut vorzubereiten und sehr gut zu recherchieren. Wir sollten keine Halbwahrheiten verbreiten oder schlechte Qualität liefern. Aber ich habe in der Kunst kein Interesse daran, jemanden meine Meinung zu sagen oder über richtig und falsch zu urteilen. Das sehe ich nicht als meine Aufgabe. Meine Bühnenfigur Felicitas stellt Fragen und erzählt ihre Geschichte. Ich möchten aber kein „Ergebnis“ nach dem Motto: So sollt ihr jetzt denken. Das Publikum kann selbst denken und sich eine Meinung bilden. Ich will Themen ansprechen, wenn ich zum Diskutieren anrege, freut es mich umso mehr. Ich beobachte es manchmal in Pausen oder bekomme Rückmeldungen wie „Wir haben noch den ganzen Abend über das Thema gesprochen.“ Das ist wunderbar.

 

Du hast sehr vielseitige Interessen, bist sehr naturverbunden, warst die Stimme von vielen Studierenden, hast neben der Kunst auch Immobilienwirtschaft studiert. Wie hast du deine Berufung gefunden? Was waren die prägendsten Momente in deiner künstlerischen Entwicklung?

Zum Kunstlied habe ich sehr früh gefunden, die Oper war nie so mein Fall. Obwohl es natürlich viel großartige Musik gibt: Verdi, Hindemith, Wagner, … Geprägt haben mich vermutlich mein Vorsitz in der Hochschüler*innenschaft, der mich gezwungen hat, politisch zu denken und zu agieren und Entscheidungen zu treffen. Geholfen hat mir vermutlich auch der Abstand zur Kunst, als ich Immobilienwirtschaft studiert habe. Ich trat damit aus meiner „Bubble“ heraus und habe gelernt, wie Menschen über Kunst denken, die nichts damit zu tun haben und wie man diese ansprechen könnte, damit sie doch in Konzerte gehen. Ein riesiger Vorteil dieser Ausbildung ist auch, dass mir niemand so rasch vorrechnen kann, ob etwas finanziell funktioniert. Wenn man Risikorechnungen für eine Baustelle gemacht hat, kann man auch künstlerische Projekte berechnen. Ich habe dabei auch viel Praktisches gelernt, zum Beispiel über Licht und Technik. Es ist meistens mehr möglich, als man zu Beginn eines Projekts meint oder was andere meinen (lacht).

Entscheidungen sind oft Momentaufnahmen. Ich habe ein Jahr nicht mehr gesungen und dachte, dass ich es nicht mehr will. In der Immobilienbranche habe ich besser verdient und vieles war einfacher, geregelter. Ich habe nur für mich selbst zu Hause gesungen, bis ich einen Anruf eines ehemaligen Musikerkollegen erhielt, der mich bat, kurzfristig für eine erkrankte Kollegin einzuspringen. Es war Malers 4. Sinfonie und Repertoire, das ich bereits einstudiert hatte. Ich habe es gemacht, hatte keinen Druck und konnte gut singen. Es folgten weitere Konzerte und so blieb ich beim Gesang, allerdings als selbstständige Künstlerin mit eigenem Programm.

 

Wenn du an dein Studium denkst, woran erinnerst du dich besonders gerne?

Es gab viele schöne Momente, die Zeit an der ÖH, aber vor allem mein Masterstudium mit Thérèse Lindquist und Christoph Strehl, die beide verstanden haben, dass ich Lied machen muss. Thérèse habe ich es auch zu verdanken, dass ich bis heute mit meiner langjährigen Pianistin und Coach Vyara Shuperlieva arbeite. Christoph Strehl meinte in unserer ersten Gesangsstunde: „Lied also? Damit verdienen Sie kein Geld.“ Womit er nicht so unrecht hat. Er unterstützte mich aber trotzdem. Das hat mir viel bedeutet. Diese drei Menschen, Thérèse, Christoph und Vyara haben meine Leidenschaft besonders gefördert. Dafür bin ich sehr dankbar.

 

Was wünscht du dir für deine nächsten künstlerischen Projekte? Für die Zukunft der Kunst?

Vor allem Mut. Wir alle brauchen Mut. Das Publikum, wir Künstler*innen, einfach alle. Die Welt ist im Wandel. Wir spüren das. Unsere ganze Welt verändert sich rasant und wir, jeder und jede einzelne Person sowie wir als Gesellschaft entscheiden, welche Richtung wir einschlagen. Den richtigen und nicht den leichten Weg zu gehen, das braucht Mut und ich hoffe, dass wir in der Zukunft gute Entscheidungen treffen. Ich wünsche mir, dass wir wieder mehr miteinander sprechen, ohne Handys und ständige Erreichbarkeit. Ich wünsche mir, dass wir uns Zeit nehmen, miteinander zu sprechen. Dass wir uns gegenseitig zuhören, auch wenn wir anderer Meinung sind. Wir sollten versuchen, mehr Verständnis für unser Gegenüber aufzubringen und versuchen zu verstehen, warum andere Menschen denken wie sie denken.

 

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Elisabeth de Roo studierte Lied und Oratorium an der Universität Mozarteum Salzburg sowie Immobilienwirtschaft und Facility Management an der Fachhochschule in Kufstein. Von 2015 bis 2018 war sie als Gutachterin für die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Österreich (AQ-Austria) tätig. Zuvor leitete sie das Career Center an der Universität Mozarteum, war sechs Jahre Vorsitzende der Österreichischen Hochschüler*innenschaft am Mozarteum und Mandatarin der Bundesvertretung der Österreichischen Hochschüler*innenschaft. Monologe und Rollen studiert sie am liebsten auf langen Wanderungen durch den Wald, fernab der Wege, mit ihren beiden Hunden. Mit ihrem Stück „Kein leichtes Mädchen. Käuflicher Liederabend“ widmet sie sich einem sensiblen Thema und versucht, die Menschen zum Diskutieren anzuregen.

Künstlerisch gab Elisabeth de Roo ihr Debüt als Susanna in „Sancta Susanna“ von Paul Hindemith unter der Leitung von Hans Graf. David Garett buchte sie als Sängerin für einen TV- Auftritt auf ORF II, woraufhin sie mehrfach als Solistin im ORF zu sehen war. Mahlers 4. Sinfonie sang sie unter Massimiliano Caldi in Verona, Bozen, Kaltern, Toblach, Innsbruck und Kufstein, Wolfgang Mitterer engagierte Sie für die Uraufführung seines Stücks „Couleurs De La Vent“ für Sopran, Ensemble und Zuspielungen. Sie sang die Arie der Elsa in Richard Wagners „Lohengrin“ unter Nayden

Todorov in der Bulgarian Hall, Sofia 2022. Im Monolog nach Ilse Aichingers „Spiegelgeschichte“ gab sie 2021 ihr Debüt als Schauspielerin unter der Regie von Thomas Lackner. Das klassische Kunstlied ist die große Liebe der Sängerin. Sie erhielt das Bundes Leistungsstipendium für Exzellenz und den Musiktheaterpreis 2021 für das Projekt „Dreigroschenoper“ - beste Off-Theaterproduktion (musikalische Einstudierung und Gesangscoaching). 2023 feierte „Kein leichtes Mädchen. Käuflicher Liederabend“ im Innsbrucker Treibhaus Premiere. 2024 wurde das Stück in Innsbruck und Tirol wiederaufgenommen und ist von 10. Mai bis 22. Juni 2024 im Schauspielhaus Salzburg und im Radiokulturhaus in Wien und 2025 in Ingolstadt zu sehen.